Comment | @ Restitutus Die implizite Verteidigungsrede kriegst Du sogar auch ganz explizit von mir: der Vollpfosten hat mit dem Drehen seines Films keine Tat begangen, die - meiner Meinung nach- kriminell ist oder als solche behandelt werden sollte. Das heisst natuerlich nicht, dass man ihm nicht hochgradige Verantwortungslosigkeit und einen schlechten Charakter attestieren könnte. Aber kriminell, nur weil er etwas Respektloses über den Islam sagt? Nein.
@Gart Ein schönes Zitat. Obwohl ich manchmal ganz gern "devil's advocat" spiele, hier sicher nicht: dagegen andiskutieren zu wollen, wäre wohl hochgradig bescheuert. Vielleicht sind wir uns uneins darüber, auf welcher Seite des Konflikts hier die gröbsten Verletzungen dieser Regel vorkommen, vielleicht sind wir das auch nicht - in jedem Fall sind wir uns einig, dass die Welt mit Einfühlsamkeit, Lernfähigkeit und Respekt sicher besser ist als ohne. Fürs Protokoll: es lag mir übrigens fern, mich zu Fragen der Eucharistie zu äußern, hoffe das kam nicht falsch an (glaube aber, das tat es nicht). Wie Du sagst: was auch immer man über die tatsächliche Anwesenheit Gottes glaubt oder auch nicht: es tut niemandem weh, und gemessen daran, dass ich nicht religiös bin, geht es mich nichtmal etwas an.
@ Mercury Ich verstehe vollkommen, was Dich an dem Auftritt stört, und das stört Dich auch zu Recht. Wir sind uns sogar einig darin, was die Reaktion sein sollte: Strafe ja, derart harsch, nein.
Was mir hier aufstößt ist sicher nicht die Einstufung von Pussy Riot als respektlos. Oder die Einsicht, dass andere Formen von Protest diesen Mangel nicht gehabt hätten, und daher besser gewesen wären. Was mir aufstößt ist die, meiner Meinung nach, falsche Prioritätensetzung. Dieser ganze Konflikt zwischen Regierung, Kirche und der Band hat ja einen Hintergrund, den man bei der Bewertung des Zwischenfalls in der Erlöserkirche nicht einfach so ignorieren kann. Du schreibst, die Frauen hätte man behandeln sollen, als das was sie sind: ungezogene Kinder. (Oder so ähnlich.) An und für sich nicht so falsch. Sehen wir das ganze mal als Familienkonflikt. Meine Perspektive auf die Situation sieht dann so aus:
Ich sehe hier eine Elternpaar, Papa Putin und Mama Alexy, deren Erziehungsstil doch eher autoritär ist, und die ihre Kinderchen auch regelmäßig mal ordentlich verdreschen, wenn die nicht spuren. Jetzt hat der Teenagertochter mal wieder was nicht gepasst. Die Art, wie sie Mama und Papa gesagt hat, dass ihr was nicht passt, war doch ziemlich ungezogen und respektlos. Wie zu erwarten, hat sie dafür dann auch eine ordentliche Tracht Prügel bezogen. Wir alle sind gegen Prügelstrafe und sagen auch, dass ein Tag Hausarrest wohl angemessener gewesen wäre. Wir alle wissen, dass sie die Prügel auch gekriegt hätte, hätte sie ihre Beschwerde ruhig und sachlich in angemessener Form vorgebracht, das hat Papa Putin schon mehrfach demonstriert. Wir alle wissen auch, dass ihre Beschwerde an und für sich völlig gerechtfertigt war, wenn auch nicht in der Form. Es ist mir einfach unverständlich, wie da der Schwerpunkt der Diskussion auf dem unbestreitbaren Umstand liegen kann, dass das Töchterchen frech war. Nicht darauf, dass ihre Kririk gerechtfertigt war. Nicht darauf, dass sie verprügelt wird. Nicht darauf, dass ihr keine Möglichkeit gegeben wird, Kritik so vor zu bringen, dass das keine massiven Repressionen nach sich ziehen würde. Nein, der Schwerpunkt liegt darauf, dass sie ja doch ganz schön frech war. Diese Prioritätensetzung ist so fernab von meiner persönlichen Einschätzung was "wichtig", "mittelwichtig" und "unwichtig" ist, dass ich das wirklich nicht verstehen kann. Glaub mir: ich hab es versucht, ehrlich. Ich begreife es nicht. Ich komme auch nicht umhin, dass so zu interpretieren, dass man damit implizit eben doch Mama und Papa verteidigt, auch wenn ich Dir selbstverständlich glaube, dass das nicht Deine Absicht ist.
Was ist Deine Perspektive auf den Familienkonflikt, die mir diese Prioritätensetzung verständlich machen könnte? Ich meine nicht die Frage, ob sie frech war. Den Punkt versteh ich und stimme Dir zu. Der unverständliche Punkt ist für mich, warum das für Dich (scheinbar?) Im Vordergrund steht, vor den Repressalien durch die Eltern.
Natürlich hält nicht unbedingt jedes Mitglied jeder Familie denselben Erziehungsstil für richtig - wie Du ganz richtig sagst, sind viele Russen vielleicht gar nicht so begeistert davon, einen westlichen Lebensstil an zu nehmen. Die Teenagertochter will es aber offenbar. Und der Witz an repressiven Systemen ist, dass sie den Andersdenkenden nie die Wahl geben. Während in einer echten Demokratie natürlich jeder die Wahl hat, zum Beispiel einer Kirche anzugehören, deren Machtstrukturen mir persönlich wohl weniger zusagen würden. Von daher macht es schon einen Unterschied, ob jemand, der dogmatisch an Demokratie und Redefreiheit glaubt diese Überzeugung anderen "aufdrücken" will, oder ob jemand, der dogmatisch nicht an Demokratie und Redefreiheit glaubt, das tut. Selbstverständlich ist dieser Unterschied nur wichtig, wenn man schon an Redefreiheit glaubt. Tu ich aber ja, und da kann ich jetzt auch echt nicht aus meiner Haut - will das nicht mal. Irgendwie muß man ja verhindern, im völligen moralischen Relativismus zu landen, dafür braucht es halt irgendwo Grundprämissen. Aus dem Vorhandensein von Grundwerten gleich "Du bist auch nicht toleranter" abzuleiten, finde ich doch etwas zu stark vereinfacht.
Unabhängig davon möchte ich aber noch sagen, daß es mir ehrlich leid tut falls ich mitschuldig daran bin, daß Du Deine Meinung nicht willkommen geheißen fühlst. Das ist und war nie meine Absicht. Zumal ich überhaupt nicht denke, daß ich oder sonstwer hier irgendwen willkommen oder unwillkommen heissen könnte - LEO ist ja nun niemandes Privatforum.
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