Kommentar | Persönliches
Was das Schreiben im Dialekt für mich bedeutet
Kleines Ratespiel:
Von wem stammen die einzelnen Texte?
Die 20 Namen aus der Landkarte in alphabetischer Ordnung: Amoisle (Selima), Botzeg (Potzig), Brele (no me bré), Dennja (costeña), Denzle (coincidencia), DuSenzle (twocents), Eimile (Amy-MiMi), Emmrle (Goldammer), Fleckle (Snowflake), Gäbele (Moi Gab), Hemele (bluesky), Ibna (Ibnatulbadia), Manne (manni3), minima, Muggele (moustique), Renkle, Schdiggle (neutrino) , Eßdedruile (SD3), Zickarle (candice), Zirp (zirp_)
Hinweis: Von einem TN habe ich zwei Texte bekommen :-)
Beiträge in der Reihenfolge ihres Eintreffens in der Redaktion
Auflösung in einem der Beiträge zwischen #280 und #300
----- 1 Für mich ist der Schwabenfaden eine absolut köstliche Bereicherung meines Alltags, und zwar aus folgenden Gründen:
1.Es ist eine Herausforderung, macht aber auch ungeheuren Spaß, sich schriftlich im Dialekt auszutauschen. Ich stelle dabei immer wieder fest, dass ich im Dialekt besonders authentisch kommuniziere, da die ganzen Nuancen mitschwingen, die nun mal der Muttersprache anhaften und die beim Übertragen in die Hochsprache schon teilweise verloren gehen.
2.Ich schätze die bunte Mischung der Inhalte, über die wir kommunizieren, angefangen mit nettem, oft witzigem und spitzigem Small Talk und Austausch von Alltagsinformationen jeglicher Art (vom Wetter über persönliche Befindlichkeiten bis hin zu lieb gewonnenen Endlosthemen wie der korrekten Beschreibung von Uhrzeiten), aber zuweilen durchaus auch ernsthaften Themen, und dann auch hochinteressantem Austausch über Ursprünge von Sprache, über Unterschiede in unseren regionalen Dialekten, über grammatikalische Besonderheiten usw.
3.Ich schätze den Humor hier im Faden – ich lache gerne und oft, wenn ich die neuesten Beiträge lese. Ich schätze den stets freundlichen, respektvollen und eigentlich liebevollen Umgangston hier im Faden. Dies führt zum letzten und wichtigsten Punkt:
4.Der Schwabenfaden ist für mich zum Inbegriff dessen geworden, was ich das Leo-Phänomen nennen möchte: man lernt im virtuellen Umfeld auf rein schriftlicher Basis Menschen kennen, tauscht sich einige Zeit aus, kommt sich näher, entwickelt irgendwann das Bedürfnis, sich auch im richtigen Leben kennen zu lernen, trifft sich – und so wachsen aus dem zunächst wie nicht mehr als Alltagsgeplänkel wirkenden Hin und Her im Schwabenfaden mit der Zeit gute Bekanntschaften und teilweise echte Freundschaften mit ganz realen Menschen. Ein absolut wunderbares Phänomen. In diesem Sinne: I frai me wia Zau uf de nägschde hondert Fädele mit eich! Wer woiß, was dr Schwòbafada no so älles an Ieberraschonga fir ons bereithelt!
----- 2 Gottes schönste Gabe ist und bleibt der Schwabe ;-)
----- 3 Kindheits- und Jugenderinnerungen werden wach :-))
Seit ich im Dialekt schreibe, hat sich meine Sprache verändert; die alltägliche, lockere Umgangssprache wird dialektnäher. Als Schwabe jahrzehntelang in der bairischen Diaspora sprach ich auch im Alltag Hochdeutsch. Zwar gibts in München keinen Thierse, aber man wird doch oft mit "Schau her, a Schwäble!" belächelt. Wenn mich dagegen jetzt einer auf Bairisch anspricht, antworte ich ganz oft und ganz selbstverständlich auf Schwäbisch - und es ist ein Vergnügen, die Reaktionen zu erleben. Manche nehmen das als völlig normal hin, anderen steht die Verblüffung ins Gesicht geschrieben. Das stimmhafte s, das ich "fachsprachlich" als Deutschlehrer benutze, fällt in der Umgangssprache weg.
Seit ich mich mehr mit meinem Dialekt beschäftige, stelle ich oft und immer wieder freudig überrascht fest, dass noch so viele lebendige Verbindungen zum Mittelhochdeutschen bestehen, die im Hochdeutschen verschwunden sind.
Einige Beispiele: - Bei der Aussprache gibts die Unterscheidung von ei/ai bei Leib/Laib, Seite/Saite, leiden/leider etc. Das alte Adjektiv leid mit dem sog. "alten ei" wurde schon früh ins Altfranzösische übernommen und existiert bis heute in der "richtigen" Schreibung laid (hässlich). Es hat etymologisch nichts zu tun mit leiden, mhd. lîden.
Rauch existiert mit zwei verschiedenen au: Rauchwaren ist ein altes und immer noch offizielles Wort für Pelzwaren (s. "Allerleirauh") Das au klingt fast wie ou , mit Schwa. Das Wort war mal eine beliebte Fangfrage bei Dolmetscherprüfungen. Zum Rauchen, mit hellem a, kauft man Tabakwaren. Der Familienname Rauch (Fred Rauch™) kommt von Pelz.
- Die unterschiedliche Aussprache von sucht/Sucht (lang-kurz) legt eine andere Etymologie und Bedeutung nahe. Im Vokabular erinnern sähr und Suirle an die gemeinsame Herkunft mit engl. soar/sere. Im Lauf der Zeit haben wir mehrere versteckte Verwandtschaften entdeckt.
- In der Grammatik haben sich teilweise noch ursprüngliche Formen erhalten; so bei der Perfektbildung i̲s̲t̲ gestanden, gesessen, gelegen mit dem Hilfverb sein für die intransitiven Verben, für die zugehörigen tranitiven Veranlassungsverben aber h̲a̲t̲ gestellt, gesetzt, gelegt.
Und es macht einfach Spaß, die der Schriftsprache so fremden Laute so phonetisch wie möglich zu schreiben . Neue, ungewohnte Wortbilder entstehen, die beim Lesen oft schwer zu verstehen sind. Leise vor sich hinzusprechen hilft. Mit der Zeit wird es immer leichter - so wie wir es in der Standardschreibung ja auch gewohnt sind, problemlos die fünf verschiedenen e ohne diakritische Zeichen richtig zu erkennen.
----- 4 Ich bin nicht dabei wegen dem Dialekt, im Gegenteil, ich finde es nach wie vor recht mühsam zu lesen. Aber ich mag die netten Teilnehmer :-))) Es schwyzer grüessli, ----- 5 Warom, daß i geara em Dialegt schreibe dua? Ballmrse enda Dialegt oifach so schea neiflagga ka. Ond wanne nochd vom Schbaga enan andra Läofada gang, fiahlt se des äbbl a so komesch a. Irgnzwia wiara gratzeger Bullofr, dear wo idd mid Berwoll gwascha wora isch. Ond wammr recht narrad isch, ischmr des oo iebrzaigndr ond audendischr em Dialegt. Fazit: Dr Dialegt isch a Schmusebullofr und zwar a audenischr!
----- 6 Für mich gehört das Sprechen und Schreiben von Dialekt zum Alltag, genau wie das Nachschlagen von Wörtern in LEO und die mehr oder weniger regelmässige Beteiligung im Spanisch- und Englischforum. Deshalb geniesse ich es, hier schreiben zu können, wie mir der Schnabel (oder doch eher der Finger?) gewachsen ist.
----- 7 Warum es mir Spaß macht, dabei zu sein ? Hm, erstens ist es manchmal sehr lustig die Beiträge laut lesen zu müssen, um zu verstehen, was gemeint ist, war anfangs eine besondere Herausforderung - und ich liebe Herausforderungen! Und selbst zu schreiben ist es ebenso, besonders, wenn man den Klang so genau wie möglich in der Schrift nachahmen will - hab' deshalb mit Accents angefangen, offene oder geschlossene a und o's zu kennzeichnen (die Tilde für das Nasale krieg ich nicht hin...d.h. weiß nicht wie ich die über den Buchstaben kriege).Und zweitens denke ich, dass man über den Dialekt eine Person, die man nicht persönlich kennt, auch irgendwie gut deren Persönlichkeit charakterisieren oder zumindest einschätzen kann.
----- 8 Was bedeutet mir das Schreiben im Dialekt? Bedeutet es mir etwas? Was bedeutet "bedeuten"? Ich könnte mir jetzt eine sprachwissenschaftliche Abhandlung über "bedeuten" und die Bedeutung dieses Worte vorstellen. Allerdings hat manni3 "zwei bis drei Sätze" erwähnt, und da bin ich jetzt schon gleich drüber. Ich weiß nicht, ob es mir etwas bedeutet. Aber es macht einfach Spaß. Spaß auch deswegen, weil so ziemlich das einzige Handwerkszeug meines Berufs und damit wesentlicher Inhalt meiner täglichen Arbeit die Sprache ist. Beruflich allerdings, soweit es die deutsche Sprache angeht (Englisch ist eine ganz andere Baustelle), dann doch fast ausschließlich die Schriftsprache, also das sog. Schriftdeutsche (das viele ja nicht ganz korrekt mit "Hochdeutsch" gleichsetzen). Der Dialekt und das Schreiben im Dialekt schafft hierfür manchmal einen kleinen Ausgleich. Und es macht auch Spaß, zu sehen, dass der Dialekt je nach Herkunft bzw. Wohnort anders ist. Und es macht Spaß, bei manchen Worten zu rätseln, was sie bedeuten und sie deswegen in verschiedenen Betonungen laut vor sich hinzu murmeln bis der Groschen (meinetwegen auch das Zehn-Cent-Stück) gefallen ist ... oder sich zu entschließen, doch nachfragen zu müssen. müssen. Und nicht zuletzt sollten gerade in Zeiten der Globalisierung ein paar feste Punkte verbleiben. Und einer von denen ist m.E., gerade in der südlichen Hälfte des deutschen Sprachraums, die Muttersprache, die eben meist kein Schriftdeutsch war und ist sondern -mehr oder weniger- Dialekt. Das waren jetzt zwar mehr als zwei, drei Sätze, aber manni3 sieht es mir hoffentlich nach ... oder kürzt meinen Sermon :-).
----- 9 „…i lies etz seit a paar Däg bei Eich mit ond i fend dees alles ôozglatt - me gfreit der Schbagat saumäßig!“ Dees isch ên meim allrerschda LEO-Bouschding vor faschd fembf Jauhr em Schwaubaschbaaga gschdànda, ônd dees schdèmmd allaweil nôo! Dr Schbaaga freit me oifach, d’Leit, ‘z Gschwätz, dees Duuranând… Beim Mitlesen und -schreiben im Schwaben-Alemannenfaden habe ich (m)einen alten Dialekt – meine erste „Fremdsprache“;-) – wiederentdeckt, und ich genieße hier neben dem freundlichen Umgangston die Sprachvielfalt, die sich hier immer wieder zeigt, unabhängig vom Thema.
----- 10 Habe ich dir schon geschrieben, wraum ich im Schwabenfaden bin? Falls nicht: Das Schreiben auf Schweizerdeutsch ist für mich ganz alltäglich, in meiner Generation läuft fast der gesamte schriftliche Verkehr auf Schweizerdeutsch. Ich lese aber gerne Schwäbisch und co. und ausserdem ist es amüsant im Schwaben-Faden, wir sind gesellig!
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