Danke, mars, du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Einer Frau wird die ganze Verantwortung aufgebürdet - mit allen Nebenwirkungen. Da könnte ich Romane schreiben. Darf ich ein bisschen? Es muss ja keiner lesen.
Meine Erfahrung als alleinerziehende Mutter von 4 Kindern bestätigen das. Von wenigen SEHR rühmlichen Ausnahmen abgesehen ist jeder der Ansicht, er sei ein verantwortungsvoller Verwandter, Bekannter, Nachbar, wenn er die Fehler der Mutter unnachsichtig auflistet und nach dem Jugendamt schreit. Da die Mutter alleine zuständig ist, kann auch nur sie etwas falsch machen.
Ich hatte einen 18-Stunden-Tag, ständig zu wenig Geld, wuselte mich irgendwie durch, immer am Rand des Zusammenbruchs, und jeder meinte, an mir herumkritteln und mir gute Ratschläge geben zu müssen, die überwiegend darauf hinausliefen, ich müsste eben mehr tun.
Im Sorgerechtsprozess kann sich auch der Vater darauf beschränken zu betonen, dass er im Umgang mit den Kindern während der Ehe keine Fehler gemacht hat; nach der Devise, wer nichts macht, macht nichts falsch.
Er drückt sich um den Unterhalt, fährt zweimal im Jahr in Urlaub und weist Familiengericht und Jugendamt sofort darauf hin, wenn die Kinder ärmlich gekleidet sind. Und das Jugendamt kommt nicht auf die Idee, ihm zu erklären, wenn er den geschuldeten Unterhalt pünktlich zahlen würde, könnte die Mutter den Kindern anständige Klamotten kaufen.
Wenn ich zweimal im Jahr abends, wenn die Kinder schliefen, in die 100 m entfernte Dorfkneipe gegangen bin, um EINMAL mit Erwachsenen zu reden (so dumm die Kneipengespräche auch sein mögen), fand sich immer ein Nachbar, der unverzüglich den Vater verständigte, dass die Kinder nachts zwei Stunden allein gewesen waren - und der übersetzte das dem Jugendamt mit: Die treibt sich nächtelang herum.
Dass der Zweijährige, der ständig Schuhe und Strümpfe auszog, egal was ich dagegen unternahm, im Winter barfuß das Haus verlassen hatte, wusste der Vater innerhalb einer halben Stunde. Dass ich die Haustür gehört und den Kleinen nach 10 Metern wieder eingefangen hatte, wurde natürlich als nicht zur Sache gehörend verschwiegen.
Ein Extrembeispiel, aber trotzdem typisch für die Einstellung der lieben Mitmenschen war die Nachbarin, die den Kindern eine Tüte Gummibärchen schenkte mit der Bemerkung: Sollte euch die Mama gar nicht essen lassen, das ist ja so ungesund.
Vor Jahren hat einmal eine Politikerin zur Abtreibungsdebatte gesagt: Wenn wir ein Gesetz hätten, das es jeder Mutter ermöglicht, innerhalb von 3 Monaten nach der Geburt das Kind dem Vater vor die Tür zu legen und von da an 300 DM im Monat zu bezahlen und mit sonst nichts mehr zu tun zu haben - wenn wir so ein Gesetz hätten, würde es kein halbes Jahr dauern und wir hätten die Abtreibungspflicht.
Welch ein innerer Vorbeimarsch war mir die Abiturfeier der ältesten Tochter. Der Vater tauchte auf. Niemand wusste, woher der überhaupt den Termin und die Örtlichkeit kannte. Er wurde nicht geschnitten, aber nach einem höflichen "Guten Abend" gab es nichts zu sagen. Meine Tochter war eine der Jahrgangsbesten, sie räumte 3 Sonderpreise für hervorragende Leistungen ab, ich heulte vor Stolz. Nach der Feier standen wir zusammen, er stand von niemandem beachtet daneben. Lehrer kamen, um mir noch einmal ausdrücklich zu dieser Tochter zu gratulieren. Er stand da, die Hand schon ausgestreckt, um die Glückwünsche der Lehrer entgegenzunehmen (wenn die doch der Mutter gratulieren...), aber die Lehrer kannten ihn natürlich nicht, er hatte sich nie gekümmert. Als er dann sichtlich geknickt, alleine und von niemandem beachtet ging, da hat so ein kleines zufriedenes Stimmchen ganz tief in mir drin gesagt: Sie war die ganzen Jahre nur meine Tochter, an diesem stolzen Tag ist auch ganz alleine MEINE Tochter.