Vielen Dank, fosco, für die Zitate! Das ist sehr interessant – und erstaunlich. Ich verstehe sie jedoch keineswegs als bindende oder gar unumstößliche Vorschriften, sondern eher als ungenügende Beschreibungen.
Die Variante mit dem Finitum (gemeint ist nach wie vor eine Form von »werden«) am Ende des Verbalkomplexes ist heute deutlich häufiger als die Variante mit dem Finitum am Anfang des Verbalkomplexes. Dass die in #12 genannten Grammatiken die Endstellung gar nicht nennen, ist bedauerlich bis irreführend. Ich kann auch keine Zeit ausmachen, in der die Endstellung nicht existierte – wenn sie auch in vergangenen Jahrhunderten weniger häufig war. Die Anfangsstellung wird bei deutschen Schriftstellern keineswegs »immer« bestätigt:
Wieland · Der goldene Spiegel (1772)
… der sich gelüsten lassen wird, …
Schiller · Über die tragische Kunst (1792)
… welches zu behaupten wohl niemand sich einfallen lassen wird;
Fontane · Neu-Ruppin (1862)
… daß dieser sich dazu bewegen lassen wird, …
Fontane · Unwiederbringlich (1892)
… daß man sich ein jedesmaliges Erwarten ihres Hausgastes nicht nehmen lassen werde.
Tucholsky · Ein Diktator und sein Publikum (1912)
… die er nun zusammenschießen lassen wird.
Tucholsky · Massary und Roberts (1921)
… daß sich streckenweise beides vereinigen lassen wird.
Kafka · Der Heizer (1913)
… wobei sich leider ein offenes Wort über seine Eltern und ihren Anhang nicht vermeiden lassen wird.
Kafka, Das Schloß (1922)
… daß Klamm niemals mit ihm sprechen, niemals ihn vor sein Angesicht kommen lassen wird, …
Kafka · Der Prozeß (1925)
… wenn ich es auch an mehrfachen Versuchen gewiß nicht fehlen lassen werde, …
Walser · Dorle und Wolf (1987):
… daß er an den Vorsitzenden je ruhig denken können wird.
In der deutschsprachigen Presselandschaft überwiegt diese Konstruktion heute eindeutig.