Oh Filmsynchronisation – eins meiner Lieblingsthemen :)
Leider ist mein Wissen darüber nur theoretischer Natur: Ich habe vor 20 Jahren meine Diplomarbeit zum Thema Filmsynchronisation geschrieben und dabei einige erhellende Fakten erfahren, die mich gegenüber "schlechten Synchronisationen" ein bisschen milder haben werden lassen. Nicht allen, aber doch so einigen.
Was ich bei meiner damaligen Recherche herausgefunden habe:
– Der Übersetzer, der die entsprechende Fremdsprache kann, fertigt oft nur eine Rohübersetzung an und ist in die Erstellung der finalen Dialoge nicht unbedingt eingebunden.
– Das Drehbuch kann vorliegen, muss aber nicht.
– Selbst wenn das Drehbuch vorliegt, kann es sein, dass die tatsächlichen Dialoge abweichen, weil beim Dreh kurzfristig Texte geändert werden und diese Änderungen nicht immer Eingang ins Drehbuch finden.
– Wenn gar kein Drehbuch vorliegt, muss ein Transkript der Dialoge angefertigt werden. Das macht nicht unbedingt ein Übersetzer. Wer das dann macht, weiß ich nicht. Das dürfte je nach Synchronisationsfirma unterschiedlich sein.
– Der Übersetzer kann sich den Film oder die Serie nicht immer ansehen, hat also im Zweifelsfall irgendeinen Schrifttext vor der Nase, den er nicht mit dem entsprechenden Bild in Verbindung bringen kann und daher in gewisser Weise "blind" übersetzen muss.
– Letztendlich verantwortlich für die gesprochenen Texte ist ein Dialogregisseur, der darauf achten muss, dass die Texte mit den Lippenbewegungen übereinstimmen. Dieser Regisseur hat möglicherweise die Originaltexte nicht vorliegen und/oder beherrscht die entsprechende Sprache nicht. Und selbst wenn er die Texte hat und versteht, ist es wichtiger, die Lippenbwegungen zu synchronisieren, weil Abweichungen dem "Normalpublikum" sofort auffallen.
– Ganz wichtiger Punkt: Die, ähm, ich sag mal "breite Masse" der Kinobesucher geht ins Kino, um sich nett unterhalten zu lassen, und nicht, um einzelne Ausdrücke auf die Goldwaage zu legen. Nicht synchrone Lippenbewegungen fallen da tatsächlich viel schwerer ins Gewicht als die Exaktheit der Übersetzung, weil sie wirklich offensichtlich sind.– Zeitdruck kann trotzdem dagewesen sein, wir wissen ja nicht, wann die Synchronisation in Auftrag gegeben wurde und wie viel Zeit war, um den ganzen Kram bis zur Ausstrahlung in Deutschland fertig zu bekommen.
– Ich habe aber auch gelesen, dass große Hollywood-Studios und einige Regisseure sich durchaus die Mühe machen, für eine gute Qualität der Synchronisationen ihrer Filme zu sorgen (Beispiele dafür hab ich grad nicht auf Lager – ich hab irgendwo dunkel was von Woody Allen im Hinterkopf, der die Synchronisationen seiner Filme überwachen lässt, kann das aber überhaupt nicht belegen).
Hinweis 1: Wie oben gesagt, mein Wissen ist theoretisch und zudem 20 Jahre alt. Ich weiß nicht, was und wieviel sich in der Branche inzwischen geändert hat. Aber ich denke, der Zeitdruck ist definitiv nicht weniger geworden, sondern eher mehr.
Hinweis 2: Bevor hier ein unnötiger Shitstorm losbricht: Ja, ich schreibe "der Übersetzer" und "der Regisseur", meine damit aber natürlich auch die entsprechenden weiblichen Formen. Bin ja selber die weibliche Form ;)