Sehr eigenartig.
Ich habe gerade nochmals in allen meinen alten Wörterbüchern nachgeschaut: Langenscheidt, Pons, ein großes Wörterbuch aus sowjetischer Produktion, das Standardwörterbuch aus der DDR (Daum / Schenk). Alle verwenden (selbstverständlich möchte ich sagen) Betonungszeichen. Gleiches gilt für meine Grammatik (Tauscher / Kirschbaum): Es werden durchgehend Betonungszeichen verwendet, auch in jedem Beispielsatz.
Ich habe noch etliche Lehrbücher für Anfänger aus deutscher und sowjetischer Produktion. Alle haben sie ausnahmslos Betonungszeichen.
Ich würde Wörterbücher / Lehrbücher ohne Betonungszeichen als mehr oder weniger unbrauchbar bezeichnen.
Daneben besitze ich reichlich Literatur, die als Lektüre für Schüler sowjetischer Schulen, deren Muttersprache nicht Russisch war, gedacht war, die ebenfalls alle mit Akzenten versehen sind.
Dass Texte, die sich an russische Leser richten, ohne Akzente auskommen, versteht sich von selbst (wobei die Meinungen auseinander gehen, ob е und ё zwei verschiedene Buchstaben sind oder ob die Pünktchen beim ё nur Betonungszeichen sind, die man nicht angeben muss). Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass fast 100% aller russchein Texte im Internet keine Betonungszeichen haben.
Aber schau dir beispielsweise einen beliebige russische Wikipediaartikel über irgendwelche Personen an, die ja vorrangig an russische Leser gerichtet sind: Die Namen werden sehr konsequent einmal mit Betonungszeichen angegeben, während die deutsche Wikipedia bei russischen Personennamen zwar die kyrillische Schreibweise angibt, aber meistens glaubt, auf die Betonungsangabe verzichten zu können.
Nehmen wir z.B. den folgenden Eintrag, bei dem mit Sicherheit keine Russe Probleme mit der korrekten Betonung hätte:
https://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%9F%D1%83%D1...
Ich gebe dir recht, dass es schön wäre, wenn Leo zu abgeleiteten Formen immer die Grundform finden würde. Wenn ich das richtig beobachtet habe, funktioniert das oft, aber leider nicht immer.