[Achtung OT]
#32
Selima, das hier ist wahrscheinlich nicht der richtige Faden, aber ich versuch's trotzdem mal mit einer Antwort.
Für die Entwicklung und Auswirkungen einer Epidemie ist es entscheidend, wie gut sie sich eindämmen lässt. Bei Viren, die eine sehr hohe Letalität haben, ist das (meist) ganz gut machbar, weil die infizierten Personen überwiegend sehr krank werden und gut identifizierbar sind, so dass man sie isolieren kann. Das war z.B. bei SARS der Fall - dort wurde erst viel später reagiert als im aktuellen Fall, aber es war trotzdem möglich, die Epidemie einzudämmen, so dass am Ende weniger als 1000 Menschen daran gestorben sind.
Bei Infektionen, die in einem Teil der Infizierten symptomlos oder mild verlaufen, während diese Personen ansteckend sind, ist es nicht möglich, sie ganz einzudämmen. Das ist bei der aktuellen Epidemie der Fall. Aus diesem Grund gehen Epidemiologen schon seit Wochen davon aus, dass es zu einer globalen Verbreitung kommen wird und dass das Virus sich vermutlich dauerhaft etabliert. Eine der Berechnungen, die ich gelesen habe, geht davon aus, dass sich in der aktuellen Welle 40-70% der Bevölkerung infizieren werden. Solche Berechnungen haben aber natürlich eine hohe Unsicherheit.
Damit sind wir bei dem Vergleich, der mich in den Medien schon seit Wochen stört: Sehr häufig wird die bisherige Zahl an Toten mit der Zahl an Grippetoten pro Jahr verglichen. Wenn man aber unbedingt vergleichen will, müsste man die Kennzahlen vergleichen. Die Transmissionsrate liegt mit 2-3 etwa 1,5-2x so hoch wie bei der durchschnittlichen Grippe. Die Letalität beträgt mit 1-2% bisher ungefähr das Zehn- bis Zwanzigfache. Für die zu erwartenden Auswirkungen spielt zudem eine Rolle, wie viele so krank werden, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen, denn das belastet nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch die Wirtschaft. Schwer krank werden nach bisherigen Zahlen ca. 14%, lebensgefährlich erkranken ca. 5%. Natürlich kann man nicht wissen, wie sich das entwickeln wird, aber man muss ja mit den aktuellen Zahlen rechnen.
Deshalb wird vor allem Risikogruppen empfohlen, sich darauf vorzubereiten und möglichst zu schützen (Kontakte einschränken). Im Gegensatz zur Grippe können sich diese Personen gegen das neue Virus ja nicht impfen lassen. Aus meiner Sicht sind Artikel, die den Eindruck erwecken, dass es nicht schlimmer wäre als die Grippe, deshalb problematisch, weil die Menschen dann entsprechende Maßnahmen (wie derzeit in Italien) nicht nachvollziehen können und sich weniger daran halten.
[OT Ende]