Jetzt hatte ich doch Lust, den in #191 verlinkten Artikel zu kritisieren. Erst einmal: Das ist doch eine Übersetzung, oder? Autorin ist angeblich eine Sabine Holzknecht, aber einige Formulierungen wirken sehr übersetzt.
Erstmal das Urteil, um das es geht. Zitat Salto-"Community-Beitrag":
"Am 11. November 2020 hat das Berufungsgericht von Lissabon in Portugal die Quarantäne von vier Portugiesen für unrechtmäßig erklärt. Von diesen vier Personen war eine Person mittels eines PCR-Tests positiv auf Covid-19 getestet worden, die anderen drei Personen waren als nahe Kontaktpersonen ebenfalls unter Quarantäne gestellt worden."
So, zu den einzelnen im Beitrag fett blau hervorgehobenen Stellen:
„Eine medizinische Diagnose ist eine medizinische Handlung, zu der nur ein Arzt rechtlich befugt ist und für die dieser Arzt allein und vollständig verantwortlich ist.“
So ist es auch in Deutschland und Österreich, und der Artikel schreibt nichts anderes, sondern verweist auf Portugal und Italien, wo es wohl anders gehandhabt wird. (Edit: Für ein Südtiroler Portal ja auch sinnvoll, sorry.)
„Auf der Grundlage der derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Beweise ist dieser Test [der RT-PCR-Test] an und für sich nicht in der Lage, zweifelsfrei festzustellen, ob die Positivität tatsächlich einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus entspricht,…“
Korrekt. Es gibt meines Wissens keine Diagnosetechnik, mit der eine Erkrankung, gleich welcher Art, völlig zweifelsfrei festgestellt werden kann. Der PCR-Test ist aber sehr gut.
„Die Anzahl der Zyklen einer solchen Amplifikation führt zu einer mehr oder weniger großen Zuverlässigkeit solcher Tests.“
Das ist verkürzt und damit missverständlich formuliert. Das hatten wir schon, aber: Bei der qPCR/RT-PCR lässt man immer z. B. 40 Zyklen ablaufen und kann dabei beobachten, im wievielten Zyklus das Ergebnis positiv wird. Bei viel Virus-RNA passiert das früher als bei wenig Virus-RNA. Und je länger es dauert, desto größer ist die Chance, dass Fehler in der Reaktion passieren. Ein positives Ergebnis im 35. Zyklus ist darum weniger verlässlich als eines im 28. Zyklus. Die Information zur Zykluszahl, bei der das Ergebnis positiv wird, der sogenannte Ct-Wert, ist den Analyselaboren aber bekannt und wird meines Wissens den Ärzten auch immer mitgeteilt. Die Technik an sich ist also immer gleich zuverlässig, nur das Ergebnis wird potenziell unzuverlässig, wenn man hohe Ct-Werte akzeptiert. Wenn man Ct-Werte über z. B. 35 nicht als positiv wertet, läuft man aber Gefahr, eventuell eine Infektion zu übersehen. Darum wohl geben die meisten Hersteller einen Ct-Wert von 40 an. Lieber zu viele Falsch-Positive als einige Falsch-Negative.
„Was sich aus diesen Studien ergibt, ist einfach - die mögliche Zuverlässigkeit der durchgeführten PCR-Tests hängt von Anfang an von der Schwelle der Amplifikationszyklen ab, die sie beinhalten, so dass bis zu einer Grenze von 25 Zyklen die Zuverlässigkeit des Tests bei etwa 70% liegt; wenn 30 Zyklen durchgeführt werden, sinkt der Zuverlässigkeitsgrad auf 20%; wenn 35 Zyklen erreicht werden, liegt der Zuverlässigkeitsgrad bei 3%.“
Entweder von der Autorin falsch zitiert oder vom Gericht falsch verstanden. In der Veröffentlichung, die wie oben interpretiert wird, wurde gezeigt, dass sich aus Proben mit Ct-Werten < 25 zu 70 % Virenkulturen anlegen ließen, aus Proben mit Ct-Werten von 25-30 nur noch zu 20 % und aus Proben mit Ct-Werten von 30-35 nur noch zu 3 %. Das lässt sich also einfacher interpretieren: Je weniger Viren in der Probe, desto schwerer wird es, sie zu kultivieren. Logisch, zumindest für mich als jemand, der auch schon mal Zellkultur gemacht hat.
„Das bedeutet, dass bei einem positiven PCR-Test bei einer Zyklusschwelle von 35 oder höher (wie es in den meisten US-amerikanischen und europäischen Labors der Fall ist) die Wahrscheinlichkeit einer Infektion weniger als 3% beträgt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person ein falsches Positiv erhält, liegt bei 97% oder höher“.
Bullshit, siehe oben.
Dann kommt was von Kary Mullis, der zwar die PCR erfunden hat, aber die Entwicklung der quantitativen PCR überhaupt nicht mehr erlebt hat. Seine Aussagen dazu, dass die PCR keine quantitativen Aussagen erlaubt, sind also veraltet. (Davon abgesehen war Mullis später auch davon überzeugt, AIDS werde nicht durch HIV übertragen.)
Und als letztes:
„Es gibt jedoch, und dies ist noch wichtiger, keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass niedrige Konzentrationen von RT-PCR-Virus-RNA einer Infektion gleichwertig sind, es sei denn, das Vorhandensein infektiöser Viruspartikel wurde durch Laborkulturmethoden bestätigt.“
Das ist eine Fehlübersetzung eines Leserbriefes („Comment“) an die medizinische Fachzeitschrift The Lancet (und nicht einer „Studie“, wie es im Artikel heißt). Original: However, importantly, no data suggests that detection of low levels of viral RNA by RT-PCR equates with infectivity unless infectious virus particles have been confirmed with laboratory culture-based methods. Es geht also nicht darum, ob der Patient infiziert ist, sondern ob er ansteckend ist.