Ich habe gerade mal alles zu "(sich) entschuldigen" überflogen und spontan an Stendhals "Qui s'excuse, s'accuse" gedacht und an " „Dum excusare credis, accusas“ von Hieronymus.
Im Französischen gibt es die gleiche Diskussion wie im Deutschen: excuser = pardonner und das kann man nicht mit sich selbst machen, sagen die einen. Doch kann man, sagen die anderen, denn excuser heißt auch "rechtfertigen, erklärend begründen und gleichzeitig bedauern".
Im Netz findet man so allerlei Diskussionen. Ganz rigide Fritz Raddatz in der Welt:
Eine neue Seuche hat die Menschen befallen. Sie heißt Diarrhö cerebelli. Das bedeutet, das Kleinhirn hat Dünnschiss und kann das Gebrabbel nicht mehr bei sich behalten. Und dieses inflationäre Gebrabbel besteht aus drei Wörtern: „Ich entschuldige mich./.../Empörend auch deswegen, weil ja die semantisch nicht intakte Formulierung eine moralische Nullnummer ist. Man kann sich nämlich gar nicht selber entschuldigen. In dem Wort steckt immerhin der Begriff „Schuld“.
https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/a...
Rainer Erlinger in der SZ plädiert zwar auch dafür, sich nicht selbst zu entschuldigen, ist in seinem Vokabular aber gemäßigter und hält selbst noch die Bitte um Entschuldigung für problematisch:
Normalerweise bin ich dafür, Sprache so zu verwenden, wie sie allgemein verwendet und verstanden wird, und nicht zu sehr an Herkunft oder Wortlaut zu kleben. In diesem Fall ist das jedoch schwierig./.../Der Duden nennt als Bedeutung für »entschuldigen« unter anderem: »jemanden wegen eines falschen Verhaltens o. Ä. um Verständnis, Nachsicht, Verzeihung bitten«. Dem Sprachgebrauch zufolge bedeutet »sich entschuldigen« also zumindest auch, darum zu bitten, und wäre damit korrekt. Nur verleitet dieser Sprachgebrauch zu sehr zur Auffassung, mit dem Aussprechen wäre alles erledigt: »Was wollen Sie denn, ich habe mich doch entschuldigt!« Deshalb plädiere ich aus inhaltlichen Gründen dafür, zumindest wenn es um einen selbst geht, auch sprachlich die Bitte um Entschuldigung beizubehalten./.../wenngleich auch diese vom Wortlaut her problematisch scheint, denn ent-schuldigen, also von der sittlichen Schuld befreien, die man auf sich geladen, weil man schuldhaft etwas falsch gemacht hat, kann man weder sich selbst, noch kann es ein anderer. Inhaltlich stellt also die Bitte um Entschuldigung im Grunde eine Bitte um Verzeihung dar.
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/die-gewiss...
Bastian Sick vom Spiegel präferiert auch die Bitte um Entschuldigung, ist aber am tolerantesten.
Laut Duden ist "sich entschuldigen" gleichbedeutend mit "um Nachsicht, Verständnis, Verzeihung bitten", und man kann sich sowohl für etwas als auch wegen etwas bei jemandem entschuldigen. Manchem erscheint es dennoch ein wenig seltsam; und das kann man verstehen, wenn man sich die ursprüngliche Bedeutung des Wortes "entschuldigen" bewusst macht: "Entschuldigung" stand für die Aufhebung von Schuld. Sie konnte vom Schuld-Verursacher erbeten oder erfleht, vom Schuld-Opfer gewährt oder verweigert werden. Im Laufe der Sprachgeschichte hat die "Entschuldigung" aber noch andere Bedeutungen angenommen. So ist "Entschuldigung" in bestimmten Zusammenhängen gleichbedeutend mit Begründung und Rechtfertigung:/.../Ich finde es nicht schlimm, wenn sich jemand selbst entschuldigt. Man kann doch schon froh darüber sein, wenn heute überhaupt noch um Entschuldigung gebeten wird. Das ist nämlich alles andere als selbstverständlich.
https://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zw...
Seinem letzten Satz kann ich mich anschließen.