Als ich mehrere Jahre als Informatiker in einem großen Rechenzentrum arbeitete, hatte ich einen Kollegen, der auf eigene Faust mit einer Reform der deutschen Grammatik begann, nicht aus Liebe zur Sprache, sondern aus Notwendigkeit. Es handelte sich um einen Mann aus Ungarn, dessen Familienname zwar eine ungarndeutsche Vorfahrenschaft andeutete, der aber mit Ungarisch als Muttersprache aufgewachsen war. Erst im Erwachsenenalter kam er in den französischsprachigen Teil Belgiens und hatte dort Schwierigkeiten mit dem bestimmten Artikel le / la. Als er dann nach Deutschland umzog, wurden diese Schwierigkeiten noch größer, denn das Deutsche leistet sich ja den unnötigen Luxus, den bestimmten Artikel in den drei Formen der / die / das zu verwenden. Angehörigen jener glücklichen Völker, die in ihrer Sprache nur einen Artikel haben (die Anglophonen "the", die Ungarn "az") oder gar keinen Artikel (wie z.B. die Japaner), ist es sehr schwer verständlich, nach welchen Regeln diese Artikelei gebraucht wird.
Mein Kollege beschloss eines Tages, hinfort im Deutschen nur noch einen einzigen Artikel zu verwenden (wie in seiner ungarischen Muttersprache das "az"), nämlich "de". Er sprach nur noch von "de Programm, de Computer, de Maschine, de Chef, de Feierabend, de Frau, de Urlaub", und es gab keinerlei Verständnisschwierigkeiten mit ihm. "De Chef sagt, de Programm muss noch mal laufen, aber ihr müsst rechtzeitig de Formular in de Drucker spannen, damit de Buchstaben in de richtige Zeile kommen."
Sein Sprachgebrauch hatte zwei interessante Folgen:
1) die Ausdrücke mit "de" klangen für die Ohren der deutschen Kollegen nicht so falsch wie ein verwechselter Artikel: "de Programm" klang besser als "der Programm", "de Drucker" besser als "das Drucker", "de Formular" besser als "die Formular". Niemand nahm Anstoß an dieser Idiosynkrasie;
2) nach einiger Zeit begannen andere Leute in dem Rechenzentrum - erst im Scherz, später durchaus im Ernst - des ungarischen Kollegen Sprachgebrauch nachzuahmen, wobei Neuhinzugekommene nicht mehr erfuhren, wie diese Sprechweise eigentlich entstanden war und sie für eine Erscheinung der hiesigen Mundart hielten.
Da ich später in eine andere Firma überwechselte, weiß ich nicht, wie lange sich der Artikel "de" dort noch gehalten hat. Landesweit durchgesetzt hat er sich leider nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Deshalb im Namen aller
a) die der komplizierten Dreiartikeltümelei des Deutschen überdrüssig sind,
b) die sich für das Deutsche mehr Gender-Gerechtigkeit erwünschen,
c) deren Muttersprache nur einen oder keinen Artikel kennt und die sich deshalb mit der deutschen Artikelei schwer tun (u.a. Anglophone, Ungarn, Türken, Japaner, Thai etc.)
der Vorschlag, in die deutschen Grammatikbücher folgende Regel aufzunehmen:
"Das Deutsche verfügt nur über den einen bestimmten Artikel 'de', der (wie z.B. im Englischen und Ungarischen) für alle Genera verwendet und nicht gebeugt wird."