Wir verlassen das Thema so nach und nach. Aber die etwas krude Berichterstattung hat sicher auch den Hintergrund, dass der Umgang mit dem Thema Nacktheit (hier ja "nur" Halbnacktheit) immer noch so besetzt ist - gschamig finde ich eigentlich das perfekte Wort dafür.
JanZ benennt in #27 aber einen Kernpunkt. Die Reaktion auf einen Anblick oder eine andere Sinneswahrnehmung ist nicht vorzuschreiben; sie ist im allgemeinen auch nicht wirklich zu steuern, sondern geschieht auch dann unterbewusst, wenn das bewusste Denken längst gesagt hat: das darfst du nicht.
Was allerdings zu fordern, vorzuschreiben und bei Übertretung zu ahnden ist, ist der eigene Umgang mit der Reaktion auf seiten des/der Reagierenden. Wut berechtigt nicht zu verbaler oder körperlicher Gewalt, sexuelle Erregung nicht zu ebensolchen Kommentaren oder Übergriffen, Ekel nicht zu Ausspucken und verbal geäußerter Verachtung.
Was aber nicht abzustellen ist, sind z.B. erhöhte Körperspannung und Blutdruck bei Wut, eine Erektion bei Männern, ein Würgereiz bei Ekel. Auch damit müssen beide Seiten umzugehen lernen. Oft reicht es doch, sich einfach abzuwenden. Soviel Selbstkontrolle darf auch verlangt werden.
Im übrigen finde ich (m) weder jede weibliche Brust noch jede Figur (oder auch ein anderes Detail) auch gleich erotisch, und selbst das ist noch situationsabhängig. Mich sprechen z.B. viel mehr die Stimme und nur knapp verborgene Intelligenz wie z.B. in spontaner Koketterie und Spitzzüngigkeit an. Auch darauf reagiere ich unaufhaltbar instinktiv, weiß aber meine äußere Reaktion zu kontrollieren. Außer einem anerkennenden Blick, Lächeln, Nicken o.ä. würde ich dann keine Respons vermitteln, und selbst die kann ich mühelos unterdrücken.
So zu tun, als wären die weibliche und die männliche Brust (auch die als solche gelesenen) ganz vergleichbar, entspricht schon nicht der biologischen Realität. In rein anatomisch-organischer Betrachtung ist die weibliche Brust ein sekundäres Geschlechtsmerkmal, und bei Männern ist allenfalls das Fehlen desselben zu vermerken.
Schließlich ist neben kulturellen Unterschieden auch eine Zeitabhängigkeit festzustellen. So war vor 40, 50 Jahren der Anblick herausragender Achsel- oder Schamhaare unproblematisch, auch wenn da schon Pflege erwartet wurde. Die heutige rasierte Nacktheit wäre im Schambereich als hässlich, im Achselbereich dagegen als leicht übertrieben gepflegt (Models etc.) betrachtet worden. Die heutige Einschätzung hat sich demgegenüber sehr verändert, bin hin zu einem Ekelempfinden.
Bleibt also abzuwarten, inwieweit ganz- oder halbnacktes Schwimmen sich durchsetzt. Ich finde, bei beidem gibt es nur sehr dürftige Gründe dafür oder dagegen. Gute Gründe gibt es aber, die Zulässigkeit kontrollierbarer Reaktionen dabei immer wieder zu überdenken. Eine platte Getriebenheit durch Reste eines Revierverhaltens oder Fortpflanzungsdrangs reicht jedenfalls sicher nicht als "Ausrede" oder Strafbefreiungsgrund.