Ich mag Roadmovies.
Und als es um die 'Alten Sorten' als neues Leo-Buch ging, dachte ich: "Kuck mal, das hört sich doch an, wie eine Station aus einem Roadmovie. Wenn's zeitlich passt, versuchst du mal mitzulesen."
Schon auf Seite 8* musste ich bei "verfickt idyllisch" herzlich lachen. Das versprach ja, sehr unterhaltsam zu werden. Mit "müde Wasserstrahlen" (der Rasensprenger) folgte auf derselben Seite eine nette Formulierung, aber schon auf Seite 9 ging es nicht ohne ein "Super fashionable" ab.
Auf Seite 10 wird ein Käfer beschrieben: "Einer von denen, die so wunderschön grüngold schillerten und in Wirklichkeit Mistkäfer waren." – Naja, Käfer, die Straßen zwischen Feldern überqueren und grüngold schillern, sind i.d.R. Laufkäfer, während Mistkäfer blaumetallisch schimmern. So etwas ärgert den Entomologen.
*Seitenzahlen beziehen sich auf die Dumont-Taschenbuchausgabe.
Derart eingestimmt habe ich mit mäßiger Begeisterung weitergelesen, aber bis zum 19. September durchgehalten.
Gut, man begleitet die beiden bei verschiedenen Arbeiten im Haus und auf dem Felde (War die Geschichte mit dem Reh wirklich unverzichtbar?), liest ein paar Rückblenden und bekommt ein paar aufklärungsbedürftige Dinge vorgesetzt. Der Autor wird sie uns bestimmt zu gegebener Zeit erklären.
Warum aber erfahren wir erst auf Seite 108, dass das Haus der Frau voller Bücher ist? Das fällt doch jedem beim Reinkommen als Allererstes auf!
Kurzum, ich werde das Buch zuende lesen. Die Konstellation mit den beiden Frauen ist ja schon interessant. Aber ob der Vorsatz stark genug ist, dass ich die deadline für die zweite Hälfte einhalte, steht noch dahin.
Was mich die ganze Zeit umgetrieben hat, ist, dass ich es stimmiger gefunden hätte, die beiden Hauptfiguren im erzählenden Text nur mit "die Frau" und "das Mädchen" zu bezeichnen. Man kann die Namen schon früher erwähnen, für die Begegnungen mit der Anni ist "Liss" erforderlich, und einmal schreit Liss auch nach "Sally" (S. 83), aber solange sich die beiden nicht regelmäßig mit Vornamen anreden (haben sie sich überhaupt förmlich mit Namen vorgestellt?), gefallen mir "Liss" und "Sally" nicht so gut.
In der Wikipedia findet sich zu Alte Sorten folgender Kommentar: "Der Roman Alte Sorten hebt sich in vielerlei Hinsicht vom vorangehenden Werk ab. Es handelt sich unter anderem um einen klassischen Coming of Age-Roman, der auf sprachlich hohem Niveau die Geschichte einer schwierigen Frauenfreundschaft erzählt. Im Vergleich zu seinen Unterhaltungsromanen kann Alte Sorten aufgrund der sprachlichen Präzision der gehobenen Literatur zugerechnet werden."
https://de.wikipedia.org/wiki/Ewald_Arenz#Werk
Nee, also sprachliche Präzision und gehobene Literatur sehe ich darin nicht. In einem einzigen Absatz heißt es über dieselbe Person: "… obwohl sie wirklich dringend pissen musste." und "So waren die Farben noch so leise wie der Morgen." (S. 68) Das finde ich irgendwie inkonsistent. (wobei ich das "irgendwie" aus "Es sah irgendwie archaisch aus." (S. 72) übernommen habe.)
Wie kann auf Seite 111 "die Schubkarre" innerhalb von fünf Zeilen zum "Schubkarren" mutieren? Präzision?
"Scheiße", sagte sie ehrfürchtig. Dieselbe Sally bringt ein paar Seiten später aber auch diese komplizierte Konstruktion hervor: "Wer hat dich das auswendig lernen lassen?"
Weitere seltsame Formulierungen:
S. 17: "Man spürte einem Haus an, ob es belebt war."
S. 64: "… da schaltet dann der Mesner die Glocken an." – Ist "Mesner" ein Druckfehler?
S. 88: "… damit das Schwein nicht wegrennen konnte, falls es auskam."
@Martin-cal:
1) Ich glaube, das geht so. Vermutlich duzt Sally jeden.
2) Ich verstehe "die" als die Eltern, die Therapeuten und wer sich sonst noch so eine Meinung über sie gebildet haben mag.