Na ja, so ganz umfänglich ist es auch nicht.
Carullus: Wie sage ich "tittle" in seiner ursprünglichen Bedeutung eigentlich auf Deutsch?
Selima: Meinst Du den i-Punkt?
Carullus: Ja, nur dass er auch auf dem j sitzen kann, aber nicht zwingend auf diese Buchstaben beschränkt ist: Any small dot, stroke, or diacritical mark, especially if part of a letter, or if a letter-like abbreviation; in particular, the dots over the Latin letters i and j. (Source)
Ich glaube nicht, dass es im Deutschen dafür einen eigenständigen Begriff gibt. Insb. umfassen Diakritika den i- und j-Punkt nach meinem Verständnis nicht.
reverend: Vorab mal für die deutsche Seite
DWB, Tüttelchen
DWDS, Tüttel
DWDS, Tüttelchen
Verbreiteten Eingang in die deutsche Sprache hat das "Tüttelchen" wohl durch Luthers Übersetzung von Matthäus 5,18 im sog. Septembertestament, Erstdruck 1522.
Es muss Belege aus dem Jahrhundert davor geben, aber in den obigen WB-Einträgen sind keine angeführt.
Gemeint sind kleinste Schriftzeichen wie z.B. das hebräische Iota, oder Vokalzeichen aus der gleichen Sprache bzw. Sprachfamilie (und der verwandten hamitischen, darunter Arabisch), oder auch diakritische Zeichen - also Zusätze zum eigentlichen Alphabet, die den Lautwert des notierten "Buchstaben(s)" variieren.
Selima: Ah, ok. Der i-Punkt (oder j-Punkt) werden im Deutschen als integraler Bestandteil der beiden Buchstaben "empfunden". Als diakritische Zeichen im Deutsch werden nur die Umlaut-Punkte gewertet, wie es scheint.
Cro-Mignon: ... und zwar wohl deshalb, weil das Setzen oder Weglassen des i-Punktes im Deutschen nicht lautdifferenzierend wirkt: Ob ich das "i" oder das "j" mit oder ohne Punkt schreibe, ändert nichts an der Aussprache oder an dem gemeinten Graphem.
Edith stellt gerade fest, dass reverend schon auf diesen Punkt (pun intended) hingewiesen hat.
reverend: Die genaue Unterscheidung in Buchstabenbestandteile wie der Punkt zur Unterscheidung von Sin und Schin, hebr., oder im Türkischen und anderen Sprachen die verschiedenen i-Laute, auch die Tilde auf dem ñ oder das Cedille an ç und ş, die Umlautpunkte im Gegensatz zum Trema, sowie die Vokalpunkte v.a. semitischer Sprachen, ist erst in späterer Zeit erfolgt, also deutlich nach dem 15./16. Jahrhundert, tatsächlich beginnend im 17., ab da zunehmend und mit voller Entfaltung im 19. Jahrhundert. Diese Zusatzzeichen (die von manchen aber als z.B. integral schon zum Alphabet gehörig gesehen werden!) haben heute alle eigene Namen Kategorien.
In der Renaissance und frühen Neuzeit war die Funktion dieser Zeichen bekannt, es gab aber auch oft noch konkurrierende Schreibweisen, meist bis in die Zeit von ca. 1850-1930. Im 16. Jahrhundert jedenfalls gab es noch keinen Fachbegriff dafür, so dass Luthers "Tüttelchen" glaubhaft erscheint.
(Übrigens habe ich noch ein gefunden gefunden, das in #295 fehlt.)
edit:
Mein Lieblingszeichen ist das niederländische ÿ, dem die Punkte auch nicht wirklich fehlen würden. Vor allem sind die Punkte weder Umlautpunkte noch Trema, sondern eher eine umgekehrte Diaeresis. Es ist nur eine alternative Schreibweise des „langen ij“, das einen so festen Diphtong notiert, dass es wie ein eigener Vokal wahrgenommen wird. Auch wenn das ÿ in der Rechtschreibreform der 1920er abgeschafft wurde, wird es auch jetzt, hundert Jahre später, immer noch von manchen verwendet. Es wirkt so „gezellig ouderwets“, so vertraut altertümelnd.
Carullus: Tüttel, hm? Hätte ich wohl nur im Kontext verstanden …
Umgekehrte Diaeresis gefällt mir. Das gibt es ja öfter, dass das Trema quasi eine getrennte Aussprache anzeigen möchte; nicht nur bei Eigennamen wie "Citroën" oder "Aÿ-Champagne" im französischen Département Marne. Sogar im Englischen trifft man gelegentlich auf "naïve" oder, für Europäische (und zumal deutschsprachige) Leser sehr ungewohnt, sogar "coöperate".