Comment | Nur noch zwei Randbemerkungen:
@21: Ja, "kaum eine Handvoll Erde" geht über das Original hinaus. Ich wollte den Effekt des "Wörtlichmachens" verdeutlichen. Das englische Earth ist etwas weniger konkret als earth (soil), aber die Abstufung von "earthly" zu der Welt, in der wir leben, ist dennoch da. Ähnlich wäre es möglich mit "weltlich" -- "enthält sehr wenig Welt". Der Sprecher führt ein Schattendasein als bloßer Gast auf der Erde, ein "passer-by", der dem "irdischen Leben" nur zuschaut und (natürlich fordert er zum Widerspruch heraus, wenn er beklagt, dass jemand anders überhaupt Anteil an seinem Schicksal nimmt.
@22: "Poe had to get the autobiography out and get something universal in." Das sehe ich auch so, aber ich möchte widersprechen, wenn Du sagst, man müsse die frühere Fassung lesen, um das Gedicht zu verstehen. Das geänderte Gedicht ist ein anderes Gedicht, und wenn es nicht anders verstanden werden sollte, hätte Poe es nicht zu ändern brauchen.
Ein Gedicht, das nur mit biographischen oder literarhistorischen Zusatzinformationen verständlich ist, ist ein schlechtes Gedicht. Das Gedicht, wie es da steht, ist in sich verständlich (eben weil es universeller gemacht morden ist). Kryptisch dabei ist nur der (eigentlich unerhebliche) biographische Anlass.
Das Ursprungsgedicht (Link 1 in Carlys #7) ist auch verständlich, aber es ist fürchterlich schlecht, weil der Dichter sich ausschließlich selbst beweint. Am Ende hat er eine selbstkritische Volte versucht ("ich kann eben nicht allein sein"), aber das reichte nicht, um aus den Versen wirklich ein Gedicht zu machen. Es ist larmoyant und selbstgefällig, es sagt: "Dass ich nur noch ein Schatten meiner selbst bin, macht nichts; dass es jedem Verzweifelten noch besser geht als mir, macht auch nichts; dass aus dem Quell meines Glücks nur noch Tränen sprudeln [- übrigens eine ganz ähnliche Redefigur wie der Schritt von "earthly lot" zu "Earth" -], macht ebenfalls nichts; dass meine Jugend vor der Zeit in Trümmern liegt, ach, kümmere dich doch nicht darum; dass ich schon das Gras auf meinem Grab wachsen sehe, in dem ich schon mit mehr als einem Bein stehe -- nein, das macht mir alles gar nichts aus. Ich wollte nur beiläufig erwähnen, dass du daran schuld bist." Und weil das alles eher in einen Brief als in ein Gedicht gehört, hängt er schnell noch an: "Und außerdem macht es mir etwas aus, dass ich nicht allein leben kann." Als junger Dichter glaubt er, damit das Gedicht gerettet zu haben. Später kommen ihm berechtigte Bedenken.
Im Gedicht letzter Fassung ist er immer noch larmoyant, aber jetzt hat er sich zum outcast baudelaireschen Zuschnitts sublimiert (der die Welt dafür bedauert, dass sie ihn bedauert), und nur noch das "sweet" und die anonyme Überschrift bleiben stehen als einsame Reste der ursprünglichen persönlichen Verstrickung.
Immerhin :-) |
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