Kommentar | Ich habe jetzt mal das "Grimm'sche Wörterbuch" gewälzt. Zum Stichwort "Gattung" steht da unter 4 c) "schweiz ... gestalt eines dings, auch von menschen: er hed e gueti gattig, ein einnehmendes äuszeres, angenehmes betragen,... er macht e gueti gattig, stellt etwas vor, ist von schöner haltung,...als zeitwort gattige, ordnen, mäßigen, ... vgl. auch ... unter gätlich das adj. gattig ... passend, schicklich, ... gätliche Äpfel, gerade recht in grösze und güte".
Und beim Stichwort "gätlich", auf das ja bei Gattung ausdrücklich verwiesen wird, findet sich dann unter 2 h zu "gattig": "eine nebenform ... mit gleicher bedeutung, schwäb. und schweiz., gegensatz ungattig gleich ungattlich ... auch straszb. ungaddi, unartig ... wie schweiz. en ungattigs chind ...".
Also damit ist nun klar, dass "eine gute Gattung machen" wirklich die - bei einem Dialektbegriff eigentlich unangemessene - hochdeutsche Schreibweise eines ausschließlich im Alemannischen/Schweizerdeutschen als "Gattig" vorhandenen Begriffsfeldes ist. Es ist weiter klar, dass mein "u-gattig" nie ein "r" zwischen "a" und "t" hatte (den Unterschied zwischen "u-gattig" und "u-gartig" würde man in der Kurpfalz ohnehin gar nicht hören, so habe ich mir das "r" wohl hinzugedacht) und es ist weiter klar, dass "gattig" bedeutungsgleich ist mit "gätlich" und dass es aus derselben Wurzel stammt wie die "Gattig".
Das Beispiel aus Straßburg "ungaddi=unartig" macht außerdem klar, woher und wie die erwähnte mir vertraute Bedeutung "unfreundlich, ruppig" bis in die Kurpfalz gekommen ist. Wenn man das in Straßburg (bei de "Steckelbürjer", wo ich meinem langen Leben auch mal gewohnt habe ...) sagt (besser: sagte, weil da anders als zu meiner Zeit dort vor 50 Jahren kaum noch jemand außerhalb des Mundarttheaters Elsässisch spricht), dann sagt man das auch in Karlsruhe (also bei den bereits erwähnten "Gälfießlern") und da die rechtsrheinische Pfalz 1803 badisch wurde, hat das seinen Weg auch in die Kurpfalz gefunden.
Vielleicht kam es auch direkt aus der Schweiz hierher; denn so gegen 1700 hatten wir hier eine große Einwanderungswelle aus der damals bettelarmen Schweiz.
Zu "bettelarmen Schweizern": Ich erinnere mich noch, dass bis Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Sitte bestand, dass hier in Heidelberg Kinder am 5. Dezember (sog. "kleiner Nikolaustag") von Haus zu Haus zogen, bei uns an der Tür klingelten und ein kleines Lied sangen, mit dem sie um Süßigkeiten und ein bisschen Geld baten; sie sangen u. a. "ich bin en armer Schweizer, gebt mer doch en Kreizer". Einen "Kreuzer" als Münze gab es nur bis ca. 1850 und vor allem in der Schweiz; der Text, den die Kinder vor jetzt 40 Jahren wohl kaum noch verstanden, dürfte also urpsprünglich von bettelnden Schweizer Einwandererkindern am Tag vor Nikolaus gesungen worden sein, damit auch sie trotz Armut ein schönes Nikolausfest hatten. Tempi passati! Die Kinder ziehen jetzt nicht mehr am "klene Niggelausdaach", sondern an Halloween von Haus zu Haus und sie singen nicht mehr, sondern stehen vor der Tür mit dem international vereinheitlichten Kampfruf "Süßes oder Saures"; außerdem die Schweizer sind nicht mehr arm ... |
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