Ich glaube nicht, dass die "Meinung der Gesellschaft" intolerant ist, aber dass es sehr lange dauert, bis wirklich etwas von der Mehrheit - bewusst und unbewusst - stereotypfrei als "normal" wahrgenommen wird, und dass es da immer wieder ein gewisses Hin und Zurück gibt.
Mein - zugegebermaßen hartnäckiges - Beharren auf dem Beispiel mit den Detransitioners (über die ich mehr oder weniger zufällig erfahren habe) hängt damit zusammen, dass ich rein aus persönlicher Erfahrung enorm etwas gegen Schubladendenken in irgendeiner Art habe und dass ich (ich weiß, ich wiederhole mich) glaube, dass Druck von ganz verschiedenen Seiten kommen kann.
Ich hole nochmal ein bisschen weiter aus, nachdem ich diese OT-Diskussion schon gestartet habe.
Vor Kurzem habe ich eine Folge der amerikanischen Sitcom "Alice" von 1976 gesehen. Die Protagonistin bekommt einen Korb von einem - ziemlich maskulinen - Mann - denn: "I am gay." Dann macht sie sich Gedanken, weil ihr 12jähriger Sohn mit ihm das Wochenende verbringen soll, kämpft mit ihren Vorurteilen, überwindet sie usw. Am Ende spricht sie mit ihrem Sohn darüber, und der meint, er habe kein Problem damit, aber ist verwundert, denn seine Schulkameraden haben ihm wohl gesagt, man könnte einen Schwulen immer erkennen, weil er sich irgendwie weiblich / flamboyant gibt. Und die Mutter meint irgendetwas in der Richtung, dass das nur Stereotype seien.
OK, dachte ich, schon damals Kampf mit den Stereotypen. 45 Jahre her. So wahnsinnig progressiv habe ich es aber nicht wahrgenommen.
Dann dachte ich aber an die 90er Jahre, in denen die ganzen Schwulenstereotypen ("tuntenhaftes" Gehabe usw.) wieder hochgekramt wurden und im Mittelpunkt von populären Sitcoms wie "Friends" oder "Will & Grace" standen. Ich glaube, da waren wir schon einmal weiter.
Und heute wird wieder mit den Stereotypen gekämpft - nicht jeder schwule Mann ist "feminin" (bewusst in Anführungsstrichen), nicht jeder "feminine" Mann ist schwul, aber die Stereotype und Klischees sind so tief verankert, dass sie einfach nicht totzukriegen sind.
Daran hat mich der Post in #41 erinnert mit der Anekdote über das "Transkind", das deshalb als trans gesehen wurde, weil "loved the colour pink and shiny shoes, and didn’t like wearing “boys’ clothes”, so was therefore a girl."
Da hat irgendwas getriggert, und mich an meine eigene Geschichte erinnert, in der ich auch von durchaus toleranten und offenen Menschen immer wieder in eine Schublade gesteckt worden bin, sodass ich ernsthaft an meiner Identität gezweifelt habe. Jemandem auf Grund äußerer Merkmale einfach zuzuschreiben, "wahrscheinlich" schwul zu sein (um bei meinem Beispiel zu bleiben), schließt ja nicht aus, dass man tolerant und offen gegenüber Homosexualität ist.
EDIT:
Ich hoffe, der Post ergibt irgendeinen Sinn und ist nicht zu sprunghaft-konfus. Aber ich lass das jetzt mal so stehen.