Hallo RightSaidFred,
Unabhängig von Yücel und dem Krach im PEN und der Entstehung des Wortes "Bratwursthaftigkeit" sind zwei Fragen bisher ungeklärt:
1) Was ist eigentlich "Bratwursthaftigkeit"?
Schon hier in diesem Faden werden eine Reihe von unterschiedlichen und nicht unbedingt identischen Bedeutungen vorgeschlagen: "deutsche schmerbäuchige Geisteshaltung", "Spießbürgertum oder Kleinkariertheit", "dumpfes, selbstgefälliges Bewusstsein", "gewisse unreflektierte, unbedarfte intellektuelle Primitivität und Beschränktheit, ggf. Grobschlächtigkeit", "bräsige Selbstgefälligkeit".
Da es eine verbindliche Bedeutung noch nicht gibt, kann sich jeder darunter vorstellen, was er will. Man könnte sagen, mit "Bratwursthaftigkeit" können Deutsche einfach gewisse unangenehme Eigenschaften benennen, die ihnen an andereen Deutschen missfallen.
2) Die anschließende Frage ist:
Warum soll ausgerechnet die Bratwurst als Metapher für Schmerbäuchigkeit, Spießbürgerlichkeit, Kleinkariertheit, Selbstgefälligkeit, Beschränktheit, Bräsigkeit dienen? Wo ist das tertium comparationis?
Wären nicht Schweinebraten, Wiener Schnitzel, Rindsroulade, Gansbraten und dergl. mehr besser geeignet, um Spießbürgertum etc. zu etikettieren?
Die Bratwurst ist ein Volksnahrungsmittel, das vor etwa 5000 Jahren erfunden wurde: Fleischreste, die man nicht einfach wegwerfen wollte, wurden zerkleinert, mit Rauch und Salz haltbar gemacht und in einen Naturdarm gestopft, zum späteren Verzehr. Schon Homer hat die Bratwurst erwähnt, und in Deutschland wird sie seit dem frühen Mittelalter als Speise des einfachen Volkes hergestellt und gegessen. Viele Menschen, die sich ein bürgerliches Mittagessen nicht leisten können, nehmen mit der Bratwurst vorlieb.
Wollte man die Bratwurst als Metapher für eine menschliche Eigenschaft nehmen, so böten sich da an: Sparsamkeit, Einfachheit, Genügsamkeit, Kargheit.
Dass Bratwurstesser selbstgefällig, spießig, bräsig, kleinkariert, schmerbäuchig usw. sein sollen, will mir nicht in den Kopf.