Allaussagen sind immer problematisch.
Nehmen wir doch mal eine aus dem Themenkreis, nämlich die wahrscheinlich prägendste Definition des katholischen Dogmas. Vorab: sie ist so nicht mehr gültig.
Erst im 16. Jahrhundert wurde eine Definition des Vinzenz von Lérins (5. Jh.) zum ausdrücklich Standard. Der "Kanon" alles dessen, was katholischerseits zu glauben ist (und damit den Rang eines Dogmas genießt, ist "quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est" - also das, wass überall, immer und von allen geglaubt worden ist.
Nach diesem Prinzip hat z.B. die Inquisition geurteilt, und im Kern ist das auch das Bewertungsraster, das ihre Nachfolgeorganisationen (s.o., #11) angelegt haben und anlegen.
Logisch betrachtet würde also der Nachweis eines einzigen Andersgläubigen, der irgendwann irgendwo gelebt hat oder lebt, also jedes Dogma zunichte machen. Das geht natürlich nicht. Also muss man halt die untergeordneten Definitionen anpassen: wo ist "überall", wann ist "immer", und wer sind "alle"?
So kann man sich dann Allaussagen doch noch zurechtbasteln.
Übrigens wurde die Formulierung gerade dann wieder ausgebuddelt, als Reformen unumgänglich waren. Vinzenz sagte nicht Neues, schon im 2. Jh. war der Grundsatz aufgestellt worden. Er hatte sich allerdings auch Gedanken dazu gemacht, wie sich der "Kanon" weiterentwickeln kann - und gerade das bot die Möglichkeit, manches neu zu verhandeln.
Die heutige Fassung lautet: Dogma ist innerhalb der kirchlichen Lehre alles das, „was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche in feierlichem Entscheid oder durch gewöhnliche und allgemeine Lehrverkündigung als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird“.
Wohlgemerkt ist dies nur die Sicht der katholischen Kirche. Andere Kirchen haben andere Regeln und oft auch einen anderen Umgang mit "Dogmen" oder dem, was bei ihnen an die entsprechende Stelle tritt.