Sorry, ich denke nicht, dass die durch frühere Mediziner durchgeführte "Urinschau" irgendetwas mit dem Begriff looking glass = Nachtgeschirr zu tun hat.

https://de.wikipedia.org/wiki/Uroskopie

In allen bildlichen Belegen halten Ärzte ein spezielles Uringlas ("Matula") hoch! Es wurde übrigens nicht nur angeguckt, sondern auch die Konsistenz geprüft, geschmeckt und gerochen.

https://www.duden.de/rechtschreibung/Nachtgeschirr

Nachtgeschirr, das

Wortart: Substantiv, Neutrum

Gebrauch: veraltet

Bedeutungsübersicht: Nachttopf

https://www.wissen.de/rechtschreibung/nachtge...

Nachtgeschirr 〈n. 1; veraltet〉 → Nachttopf

https://www.dwds.de/r?corpus=zeit;q=Nachtgeschirr

4: Die Zeit, 26.12.1997, Nr. 01

Der Junge wusch alte Frauen und bettete sie zur Nacht, er salbte Wunden und vertupfte Franzbranntwein, er leerte Nachtgeschirr und freute sich seiner Demut.

5: Die Zeit, 29.08.1997, Nr. 36

Da begänne der Redner mit der Schilderung der pompejanischen Hotel-Dreiheit von Bett, Lampe und Nachtgeschirr (mehr war nicht vonnöten; doch wehe dem Wirt, der den pot de chambre vergaß!) einen Gang durch die Jahrhunderte.

6: Die Zeit, 30.09.1994, Nr. 40

Wir kletterten aufs Dach und warfen von da die Nachtgeschirre, Glasflaschen und Porzellanbecken runter.

7: Die Zeit, 16.04.1993, Nr. 16

Die Pelzjacken aus dem russischen Winter, das chinesische Nachtgeschirr, die erste Linotype, mit der dasMenno-Blatt und die Katasterregister gedruckt wurden, die Kinderkrippe mit dem Moskitonetz sind dort ausgestellt – stumme Zeugen von bitterer Not, aber auch vom unbezähmbaren Überlebenswillen der Pioniere.

Naka-naka,

Du hast Dir viel Mühe gemacht, aber das war ja nun überhaupt nicht mein Vorschlag.

Mein Vorschlag war klar erkennbar, looking glass = Nachtgeschirr ersatzlos zu streichen.

Du bestätigst übrigens 1:1 mein Statement, dass das übliche Wort für Nachtgeschirr Nachttopf ist.

ad #2 (kam nicht mehr zu dieser Ergänzung):

"In allen bildlichen Belegen halten Ärzte ein spezielles Uringlas ("Matula"), und nicht einen Nachttopf hoch! "

Randle Holme, An Academie or Store House of Armory & Blazon, vol. 2 (Chester, 1682; reprint, London: the Roxburghe Club, 1905), p. 2. The “looking glass” sobriquet remained in use into and through the eighteenth century. Nathaniel Bailey’s Etymological English Dictionary, vol. 2 (1737) cites it in its collection of “Canting Words and Terms,” and in 1811 a new edition of a Dictionary of the Vulgar Tongue (reprint, London: Bibliophile Books, 1984) defined “looking-glass” as “A chamber pot, jordan, or member mug.” The Oxford English Dictionary’s first reference to chamber pots occurred in 1570 in a Durham inventory listing “Fyue chamber pottes of pouther vs.”—five chamber pots of pewter, five shillings.

http://www.chipstone.org/article.php/80/Ceram...

https://www.fromoldbooks.org/Grose-VulgarTong...

Whether referred to as "the Jordan" (possibly a reference to the river), "Oliver's Skull" (maybe a nod to Oliver Cromwell's perambulating cranium), or "the Looking Glass" (because doctors would examine urine for diagnosis), they were an essential fact of life in houses and on the road for centuries.

http://mentalfloss.com/article/521388/very-br...

ad #5: Ich sehe, Du verstehst mich noch nicht. Natürlich sind Nachtgeschirr und Nachttopf (Bourdalou, Pisspot etc....) Synonyme, aber bevor ein Lexikon sich für einen veralteten Begriff entscheidet, sollte es doch erst einmal den aktuellen Sprachgebrauch ("Nachttopf") abbilden.

ad #6: Die Erwähnung "“looking-glass” as “A chamber pot, jordan, or member mug.” in einer historischen Quelle der Vulgärsprache von 1811 (es mag noch weitere geben!) ist zum einen ziemlich obskur (member mug?), zum anderen ist der Begriff "looking glass" ja noch bis heute in Gebrauch, nicht nur bis ins 18./19. Jahrhundert. Für Nachttöpfe brauchen wir bei dieser Diskussion eigentliche keine historischen Belege.

Was also könnte gemeint sein mit der bislang einzigen Gleichsetzung von looking glass mit chamber pot, jordan, or member mug?

Mein Verdacht: Die Matula der Urinschau wurde als looking glass übersetzt und dann mit mit dem Objekt verwechselt, in das man bei Nacht uriniert hat. Damit würde sich der Begriff "Jordan" erklären, denn wenn der Urin dem Mediziner schwarz vorkam, würde der Patient bald "über den Jordan gehen" = sterben. Bei "member mug" könnte es sich vulgärsprachlich nicht um einen Mitgliedsbecher handeln, sondern um einen Gefäß für das männliche Glied. LEO: member [ANAT.]  das Glied  Pl.: die Glieder   - Penis

Da wäre heute übrigens die Urinflasche:

https://www.google.de/search?q=urinoir+Urinfl...

Kleine Kinder werden heute noch in einer Übergangsphase auf das "Potty" gesetzt.

"Abgesehen davon ist der Nachttopf ja im Wb drin":: Ich weiß. Es geht mir ja nicht um den Nachttopf-Eintrag, sondern um die Streichung von Looking glass = Nachtgeschirr.

"Oder bist du der Meinung, daß nur noch aktuelle Wörter bzw. Wörter in ihrer aktuellen Bedeutung eingetragen werden dürfen?": Nein, ganz und gar nicht - allerdings sollte es stimmen.

Es geht mir ja nicht um den Nachttopf-Eintrag, sondern um die Streichung von Looking glass = Nachtgeschirr.

Wenn es aber doch Belege gibt, dass zumindest im frühen 19. Jahrhundert die Verwendung von "looking glass" im Sinne von "chamber pot", also Nachttopf/Nachtgeschirr, bekannt war, wäre die Streichung verkehrt, egal wie obskur diese Verwendung auch schon damals gewesen sein mag. Es gab sie, und man könnte ihr in einer historischen Quelle oder einem auf besondere Authentizität bedachten historischen Roman begegnen und eine Übersetzung bei LEO suchen wollen. Eine Kennzeichnung als "veraltet" wäre natürlich sinnvoll und wünschenswert, da "looking glass" heutzutage nur noch im Sinne von "Spiegel" bekannt und stellenweise auch noch in Gebrauch ist.

Kein Beleg für ein tatsächlich historisch belegtes Faktum, aber ein Beleg dafür, dass in der populären Wahrnehmung der Blick in den Nachttopf (und ja, nicht nur die optische Anmutung, sondern zumindest beim Urin auch ein Geruchs- und Geschmackstest)  als Diagnosetool verwendet wurde, sind zahlreiche Historienfilme, in denen genau das gezeigt wird. Nicht mit speziellen Gläsern, sondern mit dem Nachttopf. Wie in #1 beschrieben.  

Dragon, lies mal den Wikipediaeintrag in #2 und starte mal eine Bildersuche und Du wirst sehen, daß die Urinschau viele Jahrhunderte lang eine der wichtigsten diagnostischen Verfahren der vorwissenschaftlichen Medizin war. Bei keinem der zahlreichen Bildbelege habe ich einen Nachttopf entdeckt. Immer untersuchte der Arzt frischen Urin in einer Matula und nie einen Nachttopf.

Der Stuhl war anscheinend erheblich weniger interessant. Nach diesem "Becherchen" bitte doch selbst zu suchen...

In der m.E. NUR IN DIESEM PUNKT obskuren Quelle "Captn. Francis Grose: new edition of a Dictionary of the Vulgar Tongue, 1811" wird looking glass - also etwas aus Glas! - mit drei Sachen gleichgesetzt:

1) chamber pot, nach allg. Verständnis = Nachttopf (meist aus Keramik, seltener auch aus Glas, bekannte Form)

2) jordan, = ???

3) member mug = ???

Jordan

Nach meiner Vermutung = Schauglas = Matula = um festzustellen, daß jermand über den Jordan gehen wird (letztlich auch die Idee von Selima) Material: Glas, eher hoch als breit

Member mug

Nach meiner Vermutung eher ein Uringlas/Urinoir für bettlägrige männliche Kranke, vulgär ausgedrückt. Material: Glas, eher breit als hoch

Das sind aber drei völlig unterschiedliche Objekte mit unterschiedlichem Aussehen mit drei unterschiedlichen Funktionen. Deswegen halte ich diese Quelle für wenig tragfähig. Wer diese Annahmen nicht teilt, müsste sie halt widerlegen. Auch wenn es bei dieser Hitze schwer fällt...

Got another “obscure” source for A.Juto...

”looking-glass - mirrour; also at publick houses a chamber-pot

entry from Dictionarium Britannicum Or a More Compleat Universal Etymological English Than Any Extant (T.Cox, 1736)

cf.

https://books.google.co.uk/books?id=O50-AAAAc...

Looking glass was sometimes used in sixteenth- and seventeenth-century England and North America as slang to describe a urinal or chamber pot.

https://books.google.de/books?id=MuEsDwAAQBAJ...

Q. Why is a Chamber-Pot call'd a Looking-Glass? A. Because many rarely see their Faces in any other.85

https://books.google.de/books?id=h-8cAQAAIAAJ...

For instance, "looking glass," in addition to meaning "mirror," : was a slang term for chamber pot ...

https://books.google.de/books?id=tGnQ_vCQmYAC...

Whether Dickens was aware that looking-glass was a slang synonym for chamber pot in the seventeenth century is unknown, but given his sense of humour, it is nice to think he might have been.

https://books.google.de/books?id=ZZ9vAAAAQBAJ...

Ob der Captain nicht doch frühere Quellen ausgeschlachtet hat???

Auf jeden Fall gilt das, was ich im einleitenden Posting zu weiteren Quellen vorausahnend geschrieben hatte.

In diesen derben spaßigen Vergleichen wird etwas im Wortspiel als etwas anderes bezeichnet. Beispiel: Wenn ich z.B., einen wissenschaftlichen Beitrag zitierend sagen würde:

"XYZ hält die Nebrascheibe für eine verseuchte Festplatte", würde dann irgendwann mal bei LEO stehen können: die verseuchte Festplatte = die Nebrascheibe? Ich gebe gleich die Antwort: Nein. Weder Wortspiele noch ironische historische Bezeichnungen und Umschreibungen von etwas als etwas haben eigentlich etwas in Wörterbüchern zu suchen. Es reicht, die beiden Sachen (Nebrascheibe und verseuchte Festplatte) mit ihren anderssprachigen Äquivalenten (Nebra disk and contaminated hard drive) drin zu haben. Sonst müsste auch mindestens das alles, ganz ernsthaft Eingang in LEO finden (und hinterher die Menschen noch mehr verwirren):

http://fun.wikia.com/wiki/Lustige_Synonyme

re #20: Deine "Vorausahnungen" (ich würde meinen: Spekulationen) in allen Ehren. Aber die Zitate in ##17-19 sind beileibe keine "spaßigen Vergleiche" oder "Wortspiele", sondern erkennbar explizite Sprachbeobachtungen aus der Feder authentischer Sprachzeugen oder aktueller Fachleute. Nimm valide Belege bitte auch inhaltlich zur Kenntnis, anstatt auf vorgefassten Überzeugungen zu beharren und sie durch immer weiteres Spekulationsweben zu unterfüttern. Fakten bitte! (Will sagen: Bitte Fakten zur Kenntnis nehmen bzw. Fakten liefern.)

Als zusätzliche Faktenbasis möchte ich ergänzen:

• (als weitere aktuelle Fachbekundung) dieses äußerst informative u illustrative Video der Londoner Wellcome Collection zur britischen Nachttopf-Geschichte einschließlich des engl Sprachgebrauchs des 19. Jh. (Rob Bidder, 5:01 Minuten, vgl. insb. 0:20-0:42): https://www.youtube.com/watch?v=9qWWlUwFuJE

• (als weitere zeitgenössische Sprachbeobachtung) dieser einschlägige Eintrag eines zweisprachigen deutsch-englischen Sprachführers von 1715:

"VVhere is the Looking-glass (Chamber-pot)? --- Wo ist der Nacht-Topf?"

Aus: Der vollkommene Englische Weg-Weiser für die Teutschen [etc]./ The Compleat [sic] English Guide for the Germans, Leipzig (J.B. Braun) 2. Aufl. 1715 ("First published by John King, Master of that Language in London"), S. 186: https://books.google.de/books?id=NBFNAAAAcAAJ...

Ich unterstütze die Beibehaltung des Eintrags und Ergänzung von obs., archaic o.ä. auf der engl. Seite.

Leider nicht mehr:-( Geht mir sehr ab...

Das wäre die URL: http://www.oed.com/?authRejection=true&url=%2...

Tschüs für immer.

Echt jetzt? Und wir werden nie wieder so unlogische Diskussionen sehen?

Pisse takes the form of parts as it runs through,

I could no better know, was I in you.

Hence looking-glasses, Chamberpots we call,

'Cause in your pisse we can discover all.

John Collop (M.D): Piss-Pot-Prophet (1656)

https://www.poetrynook.com/poem/piss-pot-prophet

Ich enthalte mich eines weiteren Kommentars, lasse stattdessen noch einmal Rebecca Shrum (Wissenschafterin) und John Collop (Arzt u. Literat des 17. Jh) zu Wort kommen.

• Rebecca K. Shrum, In the Looking Glass: Mirrors and Identity in Early America. (Baltimore, Md.: Johns Hopkins University Press, 2017), S. 21 (Selima hatte in #18 bereits den Anfang zitiert):

“Looking glass was sometimes used in sixteenth- and seventeenth-century England and North America as slang to describe a urinal or chamber pot. Clear glass urinals were used by doctors at the time to search a patient's urine for signs of desease. As poet John Collop wrote in his poem of the mid-1650s "A Piss-Pot Prophet": "Hence looking-glasses, Chamber pots we call, / 'Cause in your pisse we can discover all."*

[* Conrad Hilberry, ed., The Poems of John Collop (Madison: University of Wisconsin Press, 1962), 93-94.]

https://books.google.de/books?id=MuEsDwAAQBAJ...

(Rebecca K. Shrum is an assistant professor of history and the assistant director of the public history program at Indiana University–Purdue University Indianapolis) https://jhupbooks.press.jhu.edu/content/looki...

die Aufgabe, Diskussionen anzustoßen, über bestimmte Einträge nachzudenken und gemeinsam aufgrund von Fakten, die nicht immer vom Anstoßenden selbst geliefert werden müssen, über Änderungsvorschläge nachzudenken.

Genau das ist ja passiert. Und die Diskussion hat ergeben, dass der Eintrag berechtigt ist. Ich verstehe nicht, was dich so ärgert. Du hast einen Eintrag angesprochen, der dir zweifelhaft erschien, und er wurde bestätigt. Das macht LEO besser. Darum geht's doch, und nicht ums Rechthaben.

2. slang. A chamber pot. Now rare (regional (Irish English) in later use).

a1627  T. Middleton Chast Mayd in Cheape-side (1630) iii. 37  Hyda, a Looking-glasse, they haue drunke so hard in Plate, That some of them had need of other Vessels.

1638  R. Brathwait Barnabees Journall (new ed.) ii. sig. I2  Mid-night waking And a looking-glasse there taking, Chamber-pot was hol'd quite thorow.

1709  Brit. Apollo 19–24 Aug.  Q. Why is a Chamber-Pot call'd a Looking-Glass? A. Because many rarely see their Faces in any other.

1785  F. Grose Classical Dict. Vulgar Tongue  Jockum gage, a chamber pot, jordan, looking glass, or member mug.

1800  Sporting Mag. Sept. 284/1  Two blades of London lore..Bid John, when both were half seas o'er, To bring a looking-glass.

1864  J. C. Hotten Slang Dict. (new ed.) 218  Looking-glass, a facetious synonym for a pot de chambre.

a1902  A. S. Palmer in Eng. Dial. Dict. (1902) III. 655/2  A. (at inn, wishing to adjust his tie), ‘Can I have a looking-glass, please?’ Waitress (indignantly), ‘Well, Mr. A., I always thought you were a gentleman!’