Der deutsche Ausdruck ist völlig in Ordnung. Strom- ist in Zusammensetzungen synonym mit "elektrisch". Ein Stromzähler ist ein Elektrozähler und ein Stromversorger ist ein Elektrizitätsversorger. Der Ausdruck Stromspannung ist also weder sachlich falsch noch wird irgendjemand deswegen belächelt. Wie gebräuchlich Stromspannung ist, wurde mittlerweile hinreichend belegt. Die Elektrotechniker müssen zu Kenntnis nehmen, dass es in einem Wörterbuch wie LEO eine friedliche Koexistenz zwischen fachsprachlichen Termini und allgemeinsprachlichen Ausdrücken gibt. Die gleiche Diskussion hatten wir übrigens auch bei Schraubenzieher vs. Schraubendreher (Siehe auch: screwdriver - die Schraubenzieher).

Ungebräuchlich ist hingegen "current voltage", aber das ist im Wörterbuch längst gelöscht.

#24: Ein Stromzähler zählt Strom

So? Wie kann man Strom zählen?  Ein Strom, zwei Strom, drei Strom? Nein, ein sogenannter "Stromzähler" zählt erstens gar nichts, sondern misst, und zweitens nicht Strom, sondern elektrische Energie. Trotzdem heißt er alltagssprachlich Stromzähler. Ebenso gibt es die Stromrechnung, den Stromanbieter, den Stromverbrauch, die Stromversorgung und so weiter. Überall müsste statt "Strom" eigentlich "elektrische Energie" stehen, denn Strom, gemessen in Ampère, kann man weder verbrauchen noch verkaufen.

Wie #23 schon gesagt hat: in der deutschen (nichtfachlichen) Alltagssprache steht Strom nicht für die physikalische Größe Ladung pro Zeit, sondern einfach für elektrische Energie. Das ist so, ob es uns Physikern und Ingenieuren nun passt oder nicht (übrigens sprechen auch Fachleute z. B. von "unterbrechungsfreier Stromversorgung", ohne darüber nachzudenken, dass "Stromversorgung" an sich schon eigentlich fachsprachlicher Unsinn ist). Aufgabe eines allgemeinen Wörterbuchs ist es, den Sprachgebrauch abzubilden und nicht irgendeine Fachsprache.

übrigens sprechen auch Fachleute z. B. von "unterbrechungsfreier Stromversorgung", ohne darüber nachzudenken, dass "Stromversorgung" an sich schon eigentlich fachsprachlicher Unsinn ist.

Ich kann in dem Wort Stromversorgung weder einen eigentlichen noch uneigentlichen Unsinn entdecken, weder fachsprachlich noch alltagssprachlich.

Eine Stromversorgung sorgt dafür, dass durch den Verbraucher ein Strom fließen kann. Dass das - falls der Verbraucher kein idealer Kurzschluss ist - auch mit der Abgabe elektrischer Leistung und elektrischer Energie durch die Stromversorgung einhergeht ist ja kein Widerspruch.

Ich habe kein Problem damit, dass alltagssprachlich "Strom" häufig synonym zu "Elektrizität / elektrische Energie" verwendet wird, wie in deinen Beispielen Stromanbieter, Stromverbrauch usw., aber die "Stromspannung" geht mir auch gegen den Strich. Hier werden zwei fachsprachliche Begriffe so kombiniert, dass das Ergebnis alles andere als fachsprachlich ist. Die Wortbedeutung ist "die Spannung des Stroms", und das ist nun allerdings Unsinn.

Nein, "Stromspannung" bedeutet alltagssprachlich "elektrische Spannung". Das Wort, das für Fachleute eine unsinnige Verbindung von Fachbegriffen darstellt, hat sich alltagssprachlich dadurch gebildet, dass jeder weiß, dass die Spannung -- was immer das sein mag -- bei der Elektrizität eine wichtige Rolle spielt. Da Spannung aber auch in völlig anderen Lebensbereichen  -- vom Krimi bis zur Wäscheleine -- eine Rolle spielt, sagt man eben "Stromspannung". "Strom" steht dabei für "elektrisch". Die technischen Zusammenhänge dürften den meisten Leuten völlig egal sein.

Etwas OT: Warum "Stromversorgung" Unsinn ist? Weil elektrische Geräte nicht mit Strom versorgt werden. Strom ist kein Versorgungsgut. Versorgen kann man jemanden mit Nahrung, Wasser oder Energie, also Gütern, die benötigt und aufgebraucht werden. Strom wird von einem sogenannten "Stromverbraucher" aber weder benötigt noch verbraucht, er fließt einfach, und zwar in der Stärke, die sich (im einfachsten Fall) aus der bereitgestellten Spannung und dem Eigenwiderstand ergibt. Die sogenannte Stromversorgung stellt tatsächlich eine Spannung bereit und hält diese konstant. Das Gerät ist so gebaut, dass die im Innern fließenden Ströme gerade die richtige Stärke haben. Diese können auch weitaus höher sein, als die "Stromversorgung" abzugeben imstande ist. Elektroschweißgeräte arbeiten z. B. mit mehren hundert Ampère, die im Innern durch Transformation erzeugt werden, das kann keine "Stromversorgung" liefern. Der Gesamtstrom, der von außen gesehen durch das Gerät fließt, ist einfach eine Messgröße.

Würdest du auch sagen, ein Windrad müsse "mit Geschwindigkeit versorgt" werden?

Die Frage stellt sich in der Praxis nicht. Wenn man aber Geräte bauen würde, die Wind erzeugen um damit Windräder anzutreiben (Perpetuum mobile-Erbauer an die Front), würde sich auch eine entsprechende Terminologie herausbilden. Es ist müßig, jetzt zu spekulieren, ob man dann von Geschwindigkeitsversorgung sprechen würde oder nicht.

Strom, der

...

'3. fließende Elektrizität, in einer (gleichbleibenden oder periodisch wechselnden) Richtung sich bewegende elektrische Ladung

https://www.duden.de/rechtschreibung/Strom

Stromstärke, die

Menge des in einer bestimmten Zeit durch einen Leiter fließenden Stromes

https://www.duden.de/rechtschreibung/Stromstaerke

current

'3. : a flow of electric charge

also : the rate of such flow

https://www.merriam-webster.com/dictionary/current

NGram: https://books.google.com/ngrams/graph?content...

Elementarer praktischer Leitfaden der Elektrotechnik in ... - Page 157 Oskar Hoppe - 1808

Beim Betriebe wird die Stromspannung auf 180 Volts gehalten. Bei grösseren Anlagen kann der Kraftverbrauch für eine Bohrmaschine gleich 3 Pferden angenommen werden. Der elektrische Teil der Anlage ergab nach der Quelle 82 pCt.*).

Die Herstellung der elektrischen Glühlampe ... Mit ... ... - Page 75 E. A. KRUEGER - 1804

1892, Bd. 46, S. 288, ist das vorliegende Verfahren darauf gegründet, dass eine lichtelektrische Zelle, vorzugsweise eine Kaliumzelle, mit Messapparaten für die Stromspannung in Verbindung stehend, den Einwirkungen verschieden starken ...

Annalen der Physik - Page 263 1850

Ist nun ferner einem Theile des Schliefsungsdrahtes ein anderer Draht (Nebendraht) genähert, so erregt der Hauptstrom auf diesem nach den Gesetzen des Wirkungskreises eine Stromspannung = w, in entgegengesetzter Richtung als der ...

Annalen der Physik und Chemie - Page 31 1849

Vorausschicken mufs ich, dafs meine Maschine an einer kreuzförmigen Aukerplatte vier Inductionsrollen trägt, von denen das eine Paar dazu dient, eine grofse Strom- gröfse, das andere, eine grofse Stromspannung hervorzubringen.

Seltsam, ich hatte gestern Abend was abgeschickt, aber weg isses...

Hier dann nochmal: "Stromspannung" ist kein neuer Begriff. Ich finde die erste Nutzung ab 1800 in der Fachliteratur. Bis ungefaehr 1980 war er haeufiger im Druck zu finden als der "Schraubendreher" (siehe ngram oben). :))

Dies gesagt: Ich gebe allen Vorrednern recht, dass "voltage [electr.] - Stromspannung" eine klare Falle fuer die Uebersetzung von Fachtexten in der Richtung E --> D ist. Eine Kennzeichnung als "nicht-fachsprachlich" halte ich daher fuer angebracht. (siehe #26)

Weiter wuerde ich allerdings nicht gehen und ich bin nicht der Meinung, dass der Begriff automatisch falsch ist. Ein zusammengesetztes Wort kann schlicht und ergreifen fuer den Genitiv stehen: "Stromstärke" = "Stärke des Stroms". Muss aber nicht. Sprachlich ist es voellig korrekt, die Spannung, die einen Strom bewirkt, als "Stromspannung" zu bezeichnen. Genauso, wie die "Oberflächenspannung" die Spannung ist, unter der die Oberfläche steht. Und die "Berührungsspannung" ist die Spannung, die man bei der Beruehrung erfaehrt, nicht aber die "Spannung der Beruehrung". Die "Bruchspannung" ist die Spannung, bei der es bricht. Nicht die Spannung des Bruches. Es ist nicht korrekte Fachsprache. Aber nicht-fachsprachlich ist nicht falsch.

Re #37: "die Stromspannung" ist auch heute noch fachsprachlich korrekt und notwendig(!), auch wenn die meisten Fachleute es nicht mehr gebrauchen.

In jedem Fachbuch der Elektrotechnik oder Elektronik ist es klar, daß mit "Spannung" die Stromspannung gemeint ist. Es braucht diesen Zusatz einfach nicht und er entfällt.

In Büchern anderer Fachbereiche, z.B. Chemie, ist aber die Differenzierung der Stromspannung zur z.B. Oberflächenspannung auch weiterhin notwendig und jeder (gute) technische Redakteur wird dieses Wort auch weiterhin verwenden.

Ich plädiere also dafür "voltage - Stromspannung" (ohne Zusatz) neben den bereits vorhandenen Übersetzungen "voltage - die Spannung" und "voltage - elektrische Spannung" stehen zu lassen.

BTW Wenn die Kolleg(inn)en schon einen fachsprachlichen Aufreger suchen empfehle ich mal einen Blick auf "voltage - das Potential" :-O

Aber vielleicht ist das heutzutage auch fachsprachlich schon erlaubt. o tempora, o mores.

Die Diskussion dreht sich ja mittlerweile nur noch darum, ob "Stromspannung" fachsprachlich eigentlich richtig ist oder nicht. Ich denke, wir haben uns darauf geeinigt, dass der Begriff in der Allgemeinsprache vorkommt und nichts anderes als "elektrische Spannung" bedeutet. Somit hat er auch eine Eintragsberechtigung. Ich bleibe allerdings dabei, dass der Begriff fachsprachlich weder heute korrekt ist, noch es jemals war, ungeachtet einiger Treffer aus Büchern aus der Früh- und Frühst-zeit der Elektrotechnik.

traveler, in elektrotechnischen Fachbüchern ist mit Spannung nicht die "Stromspannung" gemeint, sondern die elektrische Spannung, im Gegensatz z.B. zur Oberflächenspannung. Du interpretierst hier "Strom" als Synonym für "Elektrizität", was im Alltag viele tun (ich auch), aber physikalisch einfach Unsinn ist. Strom bedeutet in der Physik immer den integralen Durchfluss einer Erhaltungsgröße durch einen Gesamtquerschnitt pro Zeiteinheit. Im Fall des elektrischen Stroms ist die Erhaltungsgröße die elektrische Ladung, es gibt aber z. B. auch Teilchenströme oder Energiestrom. Die elektrische Spannung ist dagegen die pro Ladungseinheit gespeicherte potenzielle Energie. Obwohl Spannung und Strom in der technischen Realität über Gesetzmäßigkeiten wie das Ohmsche Gesetz miteinander verknüpft sein können, sind sie physikalisch voneinander unabhängig. Wenn vor deinem Haus ein Kabel liegt, durch das ein Strom fließt, dann kannst du den (oder seine Stärke) zwar messen, aber nicht feststellen, welche Spannung ihn verursacht haben mag. Natürlich kannst du die Spannung zwischen zwei Leitern messen, aber das ist etwas anderes. In einem klassischen, unverzweigten ohmschen Stromkreis mit mehreren Widerständen fließt überall derselbe (ja, derselbe) Strom, aber die Spannungen, die man zwischen zwei beliebigen Punkten des Kreises misst, sind ganz unterschiedlich. Was wäre dann die "Stromspannung"?

Und da du nach der Definition fragst: die elektrische Stromstärke ist die durch einen Leiterquerschnitt pro Zeiteinheit fließende Gesamtladung. "Menge des in einer bestimmten Zeit durch einen Leiter fließenden Stromes" ist natürlich völliger Blödsinn. Eine "Menge Strom" gibt es nicht.

(Und schon bietet mir die Werbung auf LEO Strommessgeräte an ...)

dirk: Ich denke, ohne ausgiebigere Nachforschungen sind weder du noch ich in der Lage zu beurteilen, ob der Gebrauch von "Stromspannung" vor 200 Jahren fachsprachlich korrekt oder nicht war. Ich wuerde das "heutzutage" vorziehen (damit nicht bei aelteren Texten den Eindruck erweckt wird, dass der Autor kein Experte war), aber mein Herz haengt nicht dran. Lassen wir die Entscheidung bei Doris, solange ein "nicht fachsprachlich" drangehängt wird. (Ohne meine englischen Bindesprich natuerlich. ;) )

Leicht OT: Ich glaube nicht, dass die Argumentation, ob "Stromspannung" sprachlich korrekt ist, irgendetwas bringt. Erstens, weil es im Deutschen keine Regel gibt, warum ein zusammengesetztes Wort gebildet wird. Sprachlich heisst "Stromspannung" nur, dass es eine Spannung ist, die irgendetwas mit Strom zu tun hat. Auch physikalisch ist dies kein Unsinn, selbst wenn die Spannung in einem Stromkreis keine konstante Groesse ist. Wenn du so strengt bist, musst du den Materialwissenschaftlern sagen, dass Bruchspannung falsch ist, da ein Bruch keine Spannung hat. Zweitens, selbst wenn du voellig korrekt waerst, dass es logischer Unsinn ist: viele Woerter, auch fachsprachliche, haben historische Wurzeln, die sie heute unlogisch erscheinen lassen.

traveler in time: voltage - das Potential ist mir auch aufgefallen. Ich wollte aber in diesem Moment nicht öl auf's Feuer giessen und wir koennen naechste Woche einen Faden dazu aufmachen. :)

Fortschritte in der anorganisch-chemischen Industrie an Hand der deutschen reichs-patente dargestellt, mit fachgenossen bearbeitet und herausgegeben von ing, Band 4,Ausgabe 2 - 1935

Pawlow-Zeitschrift fuer Hoehere Nerventaetigkeit, Bände 5-6 - 1955

Hochfrequenztechnik und Elektroakustik: Jahrbuch der drahtlosen Telegraphie und Telephonie, Bände 61-63 -

1943

Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde - 1976

Adaptive Verkehrsplanung - 1971

usw.

Re #39: Ich bleibe allerdings dabei, dass der Begriff fachsprachlich weder heute korrekt ist, noch es jemals war, ungeachtet einiger Treffer aus Büchern aus der Früh- und Frühst-zeit der Elektrotechnik.

Danke erstmal dafür ... (die indirekte Beschimpfung als "alter Sack")

Wie ich schon erwähnte hat der Begriff Stromspannung in reinen E-Technik-Fachbüchern keinen Sinn, in Fremd-Fachbüchern aber doch. Der Hinweis ist deshalb überflüssig.

Und damit endet für mich diese Diskussion ....

@#38: BTW Wenn die Kolleg(inn)en schon einen fachsprachlichen Aufreger suchen empfehle ich mal einen Blick auf "voltage - das Potential" :-O

Die Paarung erzeugt bei mir nicht das notwendige Potential zur Aufregung. Wo ist hier ein Fehler, der - wie man dich verstehen muss - erst in neuerer Zeit gemacht wird?

Mein Küpfmüller "Einführung in die theoretische Elektrotechnik" 8. Auflage von 1968, erstmals erschienen 1932 definiert:

"Man versteht unter dem Potential phi eines beliebigen Punktes in einem Stromkreis die Spannung zwischen diesem Punkt und einem willkürlichen Bezugspunkt".

Da kann kann ich mich schon eher über die elektromotorische Kraft (EMK) aufregen (Siehe Wörterbuch: emk), die in Deutschland (glücklicherweise) als ausgestorben gelten kann, die ich aber als EMF in aktuellen amerikanischen Texten immer noch sehe.

Danke erstmal dafür ... (die indirekte Beschimpfung als "alter Sack")

Hast du da jetzt nur den Smiley vergessen, oder meinst du das ernst?

Nur für den Fall der Fälle: Dir ist schon klar, dass sich die "Früh- und Frühst-Zeit der Elektrotechnik" auf die von Mausling (nicht von dir) in #37 gebrachten Beispiele aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezog?

Ich bin jetzt raus, hab gesagt, was ich zu sagen hatte und verkneife mir weiteres Eingehen auf #40.