hm--us, Du siehst, ich habe meinen Vorschlag modifiziert... ;-)
Auch wenn ich Dir in vielem zustimmen kann, nicht so Deinen Schlussfolgerungen (auch nicht dem überzogenen Einsatz Deines rhetorischen Arsenals). Dein argumentatives Feuerwerk zwingt mich, weiiit auszuholen.
Von vorne: Du hast Recht, LEO ist keine Enzyklopädie.
Aber: LEO ist (zum Glück) aber auch keine bloße Wörterliste (aus der es m.W. entstanden ist).
Lexika/Enzyklopädien versuchen Begriffe bzw. Themen möglichst umfassend inhaltlich zu erläutern/erklären/dazulegen (z.B.
http://lexikon.meyers.de/meyers/Meyers-Meyers... ). Demgegenüber beschränken sich
Wörterlisten (oft
Glossare genannt) darauf, Wörter und ihre Entsprechungen aufzulisten/aufzuzählen/zu verzeichnen (z.B.:
http://imperia.uni-due.de/intranet/glossary_g... ).
(Echte) Wörterbücher dagegen liefern dem Nutzer über eine direkte Entsprechung hinaus Zusatzinformationen, die nicht dem Anspruch/Ziel enzyklopädischer Vollständigkeit/Reichweite unterliegen, sondern dem Nutzer eine begrenzte anwendungsorientierte Hilfestellung geben sollen (z.B. LEO oder
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ser... ).
Solche
Zusatzinformationen (in LEO u. anderswo) lassen sich differenzieren in
a) solche zur
Anwendung eines Wortes und
b) zu dessen
Bedeutung und/oder Hintergrund Schauen wir uns zum
Beispiel einmal den
Eintrag "Löwe" in drei verschiedenen Wörterbüchern an:
WAHRIG:
Lö|we m. 11
BERTELSMANN Wörterbuch:
Lö|we [m. 11]
Großkatze mit gelblichem Fell (und einer Mähne bei männlichen Tieren) [LEO:
Leo --- Löwe
[Sternzeichen]Leo [astr.] --- Löwe
[Sternbild]lion [zool.] --- der Löwe | die Löwin
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ser...Dictionary: löweEs fällt auf, dass die drei Wörterbücher sehr unterschiedlich mit den Zusatzinformationen verfahren. Während der
Wahrig völlig auf (über Genus u Deklination hinausgehende) Zusatzinformationen verzichtet, liefert
Bertelsmann eine Beschreibung des Tieres und eine etymologische Skizze (Zusatzinformationen der Klasse
b). LEO wiederum kennzeichnet die drei verschiedenen Verwendungszusammenhänge des Wortes "Löwe" (Anwendungsinformation
a).
Du würdest im Bertelsmann-Wörterbuch vermutlich - ratzfatz - die unnötigen Angaben zu Aussehen, tierischer Geschlechterdiffenzierung und Wortherkunft streichen, denn schließlich ist das B-WB weder eine zoologische Enzyklopädie noch ein Etymologie-Lexikon. Und wo würde das Bertelsmann-Wörterbuch hinkommen, wenn man anfinge, Aussehen und Eigenheiten aller eingetragenen Lebewesen derart ausführlich zu beschreiben...? Ich verkneife mir, ein solches
argumentum ad consequentiam weiter auszubuchstabieren - wie Du es in #5 tust - so unterhaltsam dieser klassische Argumentationstrick, eine Gegenposition durch groteske Überzeichnung ins Lächerliche zu ziehen, auch sein kann.
Worauf ich hinaus will, ist, dass es
keine eherne Regel gibt und geben kann, an welcher Stelle ein Wörterbuch welche Zusatzinformationen aufnimmt (vgl. z.B. auch die umgekehrte Erläuterungsintensität von Wahrig u. B-WB bei einem anderen Lebewesen:
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ser... ). Die absolute Konsequenz u. kategoriale Konsistenz solch zusätzlicher Angaben, wie Du sie einzuforderst, führt gerade im speziellen Fall von LEO nicht weiter. Denn LEO kann sich von einer nackten Wortparade nur schrittweise - und unter den bekanntermaßen limitierten Bedingungen zwangsläufig recht ungleichmäßig - zu einem veritablen Wörterbuch entwickeln. Ganz konsequent wäre allenfalls das völlige Fortlassen jeglicher Zusatzangaben zu verwirklichen.
Wir sind uns einig, dass das nicht das Ziel sein kann. Was bleibt, ist die Entscheidung
im Einzelfall , welche Zusatzinformationen jeweils notwendig bzw. wünschenswert u. machbar sind. Dabei können die Urteile naturgemäß unterschiedlich ausfallen. Weniger bei den Anwendungsinformationen - etwa zu regionaler Verbreitung, grammat. Einordnung u. mögl. Besonderheiten, Sprach- oder Stilebene - als bei der Kategorie
b), den inhaltlichen Zusatzinformationen.
Was letztere betrifft, finde ich auch manche Zusatzangaben entbehrlich (z.B. hier:
Tierra del Fuego Spanish [geog.] --- Feuerland -
Insel u. Inselgruppe an der Südspitze SüdamerikasDictionary: Fuego )
Da solche Informationen aber korrekt sind, möglicherweise doch dem ein oder anderen Nutzer weiterhelfen und "kein Brot fressen" würde ich nicht auf die Idee kommen, in diesem Forum deren Löschung vorzuschlagen.
Du selbst regst einerseits an, knappe Zusatzinformationen einzutragen,
"that can be very useful for people from other cultural backgrounds". Andererseits verbindest Du die Forderung, den Hinweis zum euphemistischen Charakter des diskutierten Begriffs zu löschen, ausgerechnet mit dem Hinweis auf die
"very different cultural lens" der Deutschen. Dabei ist genau dieser deutsche kulturelle Hintergrund, nämlich der erheblich von der angelsächsischen Praxis differierende Stellenwert sprachliche Sensibilität beim Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus (vgl. die vehementen dt. Diskussionen um entspr. sprachliche Fehlgriffe von Politikern u. Prominenten vs. engl. Wortbildungen wie
grammar nazi etc.), der mich dazu veranlasst, meinen
Vorschlag einer Kennzeichnung als
euphemistic/euphemistisch aufrecht zu erhalten (in leicht modifizierter Form, s.o.)
Die Kennzeichnung als
euphemistic/euphemistisch ist m.E.
nicht unbedingt notwendig, aber sinnvoll! Sinnvoll deshalb, weil dem denjenigen, der die Begriffe nachschlägt, eine Information an die Hand gegeben wird, die ihm ebenso wie die Markierungen als
ugs., geh., poet., hum. etc. hilft, Charakter und Konnotationen des Begriffes klarer einzuschätzen. Das ist genau die Art anwendungsorientierter Hilfestellung, die aus LEO kein Lexikon macht, sondern dem genuinen Charakter eines echten Wörterbuchs entspricht. Dabei ist eine solche Bemerkung gänzlich "unschädlich", sowohl mit Blick auf andere Euphemismen (in keiner Weise folgt daraus, alle anderen vermeintlichen oder tatsächlichen Euphemismen kennzeichnen zu wollen oder zu müssen) als auch das sonstige Funktionieren des Wörterbuches.
Zusätzlich ein
Datum anzugeben, wäre - auch da gebe ich Dir Recht - im Sinne einer anwendungsorientierten Hilfestellung grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings würde sich im konkreten Fall die gute Absicht mit einer Verstärkung des euphemistischen Charakter des Begriffs bzw. inhaltlicher Inkorrektheit beißen. Denn das (bzw. die) Novemberpogrom(e) von 1938 beschränken sich eben keineswegs auf die Nacht vom 9. auf den 10.11.1938. Der Begriff, so er heute in der Historiographie verwendet wird, bezeichnet daher das Pogromgeschehen mindestens vom 7. bis zum 13. November. Die Datumsangabe
"9./10. Nov. 1938" wäre also was den aktuellen fachsprachlichen Gebrauch angeht falsch, ansonsten die dem Begriff inhärente Verharmlosung unnötig verstärkend. Eine Datumsangabe
"7.-13. Nov. 1938" käme dem fachsprachlichen Begriffsgehalt näher, ist aber (was das Enddatum angeht) keineswegs unumstritten und läuft dem buchstäblichen Verständnis einer Nacht derart entgegen, dass eine ausführlichere Erklärung notwendig wäre. Leo ist kein Lexikon;-) und so halte ich allenfalls eine Jahresangabe für praktikabel.
Ich fasse zusammen: Wir stimmen überein, dass die bestehende Formulierung geändert werden muss. Dein Vorschlag einer ersatzlosen Streichung und die zugehörige Argumentation überzeugt mich allerdings nicht. Stattdessen bin ich weiter für einen knappen beidseitigen Hinweis auf den euphemistischen Charakter des Begriffs.
[Nun habe ich es tatsächlich geschafft, hm--us in Sachen Postingumfang zu schlagen ;-]